Oststeinbek. Joachim Düster spendet jedes Jahr Tausende Stifte und Papier an Schulen im Senegal, verteilt die Utensilien vor Ort. Diesmal nicht.

Joachim Düster klappt sein Laptop auf und zeigt ein halbes Dutzend Videos. Zu sehen sind Lehrkräfte aus dem Senegal, die ihm danken und zeigen, wie sie Arbeitsmaterialien an Schüler verteilen. Die Utensilien hat der Oststeinbeker gespendet und per Container in das westafrikanische Land geschickt. Vor Kurzem sind sie angekommen. Normalerweise verteilt der 64-Jährige Tausende Stifte und Papier selbst vor Ort an vier Bildungseinrichtungen in der Stadt M`Bour, rund 120 Kilometer südlich von Dakar gelegen. Wegen Corona ist das aber nicht möglich. Zuletzt war er 2019 in dem Land mit seinen rund 17 Millionen Einwohnern. Der gelernte Schriftsetzer will sich so schnell wie möglich gegen das Virus impfen lassen und hofft, in diesem Herbst ein Flugzeug besteigen zu können, das ihn in die von Armut gekennzeichnete Region bringt. Einige Kartons mit Kugelschreibern hat der Rentner schon wieder zusammen.

„Entweder fährt man dorthin und kommt immer wieder oder belässt es bei einem Besuch“, sagt Düster, der seine private Hilfsaktion „Papier ohne Grenzen“ nennt. Der Dreck, der Müll, manchmal gebe es drei Tage weder Wasser aus den Leitungen noch Strom, dazu 40 Grad im Schatten samt hoher Luftfeuchtigkeit – der Senegal sei ein Land der Extreme, berichtet der engagierte Ehrenamtler. Ihn zieht es seit 2007 immer wieder zurück, einmal pro Jahr verweilt der gebürtige Stuttgarter drei bis vier Wochen, nächtigt im Gästehaus eines Vereins oder wie zuletzt in einer Bambushütte. „Ich erfahre so viel Dankbarkeit, dass es mir schon unangenehm ist.“ Er nimmt sich selbst nicht so wichtig, verzichtet bei seinen Besuchen auf Fotos mit dem Bürgermeister.

Erste Reise in den Senegal mit einer Gruppe

Joachim Düster ist hier unterwegs und verteilt die Stifte und das Papier an den Schulen.
Joachim Düster ist hier unterwegs und verteilt die Stifte und das Papier an den Schulen. © Unbekannt | privat

Seine Liebe zum Senegal ist in erster Linie durch das Musizieren entstanden. Vor 15 Jahren schenkt ihm seine Frau einen Trommelkursus. Er ist begeistert, nimmt dann hierzulande Unterricht bei einem Senegalesen, spielt schließlich zusammen mit afrikanischen Künstlern. Die Männer verstehen sich. Düster nimmt über diesen Kontakt an einer Gruppenreise teil. Im westafrikanischen Land lernt er einen Österreicher kennen, der ein Lepradorf leitet. Sie besuchen Schulen. Die mangelnde Ausstattung der Jungen und Mädchen sowie die Enge in den Klassenzimmern gehen ihm nahe. Kurz darauf steht sein Entschluss fest: „Ich muss was bewegen.“

Der Rahmen ist vorerst überschaubar, in zwei Koffern bringt er Stifte, Sporttrikots und manchmal auch einen Fußball mit. Letzterer sei für die Jugendlichen dort das Größte. Wenn man den aus der Tasche hole, sei man sofort von 100 Personen umzingelt. Düster kann ein wenig Not lindern, doch das reicht ihm nicht.

Lebensfreude der Menschen begeistert den Oststeinbeker

Als Gestalter beim Rowohlt-Verlag hat der Vater dreier Töchter, der nach seinem Umzug aus Glinde vor acht Jahren jetzt mit seiner Frau auf einem Bauernhof im Oststeinbeker Ortsteil Havighorst lebt, einen guten Draht zu Papierlieferanten in Reinbek. So akquiriert er Material, ohne dafür zu zahlen. Stifte bekommt Düster von Firmen aus Süddeutschland. Und er kennt einen Afrikaner, der Container aus dem Hamburger Hafen verschiffen lässt, beteiligt sich mit bis zu 1000 Euro an dem Transport. So gelangen 2011 erstmals mehrere Paletten Schulmaterial in den Senegal. Die Verteilung vor Ort übernimmt er selbst, wird dabei von Einheimischen unterstützt. „Ohne Helfer wäre ich beim Zoll aufgeschmissen“, sagt Düster und spielt damit auf die Korruption an.

An den Tischen in dieser staatlichen Schule haben die Jungen und Mädchen nur wenig Platz.
An den Tischen in dieser staatlichen Schule haben die Jungen und Mädchen nur wenig Platz. © Unbekannt | privat

Seine vier Schulen, darunter keine private, beliefert er per Pferdekarre, fühlt sich dabei in eine andere Zeit zurückversetzt. „Das ist natürlich kein entspannter Urlaub“, sagt Düster, der die französische Sprache in Teilen beherrscht und so in ausreichendem Maß kommunizieren kann. Er berichtet von Einladungen bei Familien, wo man mit zwölf Personen um einen Teller herum sitzt bei begrenztem Speiseangebot, sich das Essen teilt. Es sind Momente, die ihn nachdenklich machen, aber auch glücklich. „Weil die Menschen trotz allem viel Lebensfreude haben, der Umgang mit ihnen sehr angenehm ist.“ Angst, sich nachts allein auf der Straße zu bewegen, habe er dort noch nie gehabt.

Ziel ist es, mehr Fußbälle an Jugendliche zu verteilen

Inzwischen unterstützt der Oststeinbeker drei Großfamilien mit Geld, damit die sich Lebensmittel kaufen können. Düster wohnt zur Miete, hat keinen Reichtum angehäuft. Er sagt: „Wir haben hier so viel mehr als die Menschen im Senegal.“ Er sei zufrieden und benötige zum Beispiel kein teures Auto als Statussymbol.

Dem Musizieren ist der Rentner mit dem Herz für Arme treu geblieben. In seinem Wohnzimmer stehen zwei westafrikanische Harfen unterschiedlicher Größe. Alsbald möchte er wieder Meditationskurse anbieten mit spirituellen Klängen. Ein marokkanischer Freund begleitet dabei. Für sein Hilfsprojekt wünscht sich Düster, bei den nächsten Reisen mehr Fußbälle an Jugendliche verteilen zu können. Wer gerne spenden möchte oder Fragen zu „Papier ohne Grenzen“ hat, kann sich per E-Mail an aki.duester@gmx.de wenden.