Hamburg. Die geschlechtergerechten Formeln werden immer länger. Vorsicht, es gibt wirklich keine „Krankenschwesterinnen“!
Ich hoffe, heute zum letzten Mal („letzten“ hier in der Bedeutung vom „Ende einer Reihe“) durch eine Zuschrift zur öffentlichen Replik provoziert worden zu sein. Doch es gibt Mails, die haben im übertragenen Sinne nicht nur den Rubikon, sondern auch die Elbe und die Alster überschritten. Wenn ich nach sorgfältiger Recherche die Meldung über eine „Vorständin“ als sprachlich korrekt präsentiere und ein Leser, nennen wir ihn „Müller“, erklärt das apodiktisch für „Unfug“, dann bin ich versucht, den Spieß auf dem Kasernenhof zu zitieren, der brüllt: „Die ganze Kompanie hat den falschen Schritt, nur der Schütze Müller hat den richtigen!“
Es ging um die Nachricht der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass die „Vorständin“ des Deutschen Roten Kreuzes Braunschweig-Salzgitter zur Präsidentin von Eintracht Braunschweig gewählt worden sei. Der Begriff „Vorstand“ hat zwei Bedeutungen. Einmal bedeutet er das Leitungsgremium einer Firma, eines Verbandes oder eines Vereins: dem Vorstand angehören; den Vorstand bilden; der Vorstand tritt morgen zusammen.
Frau wird als „Vorständin“ bezeichnet
Zum anderen bezeichnet er jedoch auch das einzelne Mitglied des Gremiums als „Vorstand“: Er wurde zum Vorstand berufen; zeitweise war er Vorstand des Medienkonzerns. Man könnte natürlich auch „Mitglied des Vorstandes“ sagen, muss aber nicht. Wenn ein Mann also „Vorstand“ ist, gebietet es die geschlechtergerechte Sprache, eine Frau in entsprechender Position als „Vorständin“ zu bezeichnen. So steht es in den Wörterbüchern. Es wäre absurd, bei der „Präsidentin“ die weibliche Form, beim „Vorstand“ aber die männliche Bezeichnung zu wählen.
Die Zeiten, in denen berufstätige Frauen bei den Männern „mitgemeint“ waren oder in denen Kommunalbeamtinnen zum „Amtmann“ befördert wurden, sind glücklicherweise vorbei. Eine Ärztin ist kein Arzt, und wenn die „Ärzte“ einer Klinik streiken, die zur Hälfte aus Ärztinnen bestehen, so ist das ein Missbrauch des generischen Maskulinums.
Vorsicht bei „Mitglied“
Es bürgert sich immer mehr ein, geschlechtliche Doppelformen zu nennen, um beiden Geschlechtern gerecht zu werden. Allerdings sollte man sich hüten, dabei in die Nähe der Satire zu geraten. Eine Leserin schrieb: „Meine Mutter und die anderen Krankenschwestern und Krankenschwesterinnen protestieren gegen die Zwangsimpfung.“
Vorsicht auch bei „liebe Mitglieder und Mitgliederinnen“ – „das“ Mitglied ist nicht maskulin, sondern neutral. „Die“ Person kommt sogar grammatisch als Femininum daher, sodass ich vor dem Plural „die Personinnen“ nachdrücklich warne. Haben wir es hier mit dem „generischen Femininum“ zu tun, bei dem die Männer bei den Frauen „mitgemeint“ sind? Muss ich als männliche Person im Genus weiblich und im Sexus eine Frau sein, deren Einzelheiten und Folgen ich aber entschieden ablehne und hier nicht weiter erörtern möchte?
Partizipierung zurzeit besonders beliebt
Die Übertragung des saarländischen Wahlabends im Fernsehen hätte gekürzt werden können, wenn die Zeit nicht mit immer neuen Paarformeln der Marke „Flugblattverteiler und Flugblattverteilerinnen“ oder „Beifallspender und Beifallspenderinnen“ gedehnt worden wäre. Besonders die Grünen hätten sich weniger auf das Gendern als auf ihre an der Fünfprozenthürde fehlenden 23 Stimmen konzentrieren sollen.
Da die Formeln immer länger werden, wurden zusammenfassende Begriffe geboren. Die „Ärzteschaft der Klinik“ ist kürzer und diskriminiert kein Geschlecht. Besonders beliebt ist zurzeit die Partizipierung. Bei der Bezeichnung „die Anwohner“ glaubt zwar niemand, dass nur Männer in dem Viertel wohnen, aber um die letzten Zweifel auszuräumen, sprechen die linksgrünen Mitarbeiter im Bezirksamt jetzt von den „Anwohnenden“.
Allerdings bezeichnet das Partizip Präsens eine Tätigkeit, die gerade ausgeführt wird. Bei mir treffen immer mehr Proteste gegen den Ausdruck „die Studierenden“ ein. Besonders ältere Leute sind der Ansicht, dass die Studenten und Studentinnen gerade nicht studieren, sondern demonstrieren. Nein, ich werde nun nicht den Austausch von den „Studierenden“ zu den „Demonstrierenden“ fordern. Schon Goethe soll früher häufiger in Auerbachs Keller als im Hörsaal zu finden gewesen sein.
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