In vielen Presseerklärungen setzen Senat und Parteien auf eine Kunstsprache – mit Anglizismen, Fremdwörtern und Genderei
Mit dieser Kolumne macht sich der Autor keine Freunde – oder um in Neudeutsch zu schreiben, keine Freund_innen oder wahlweise Freund:innen oder Freund*innen. Aber weil Journalisten gut beraten sind, ihre Freunde auch nicht im beruflichen Umfeld zu suchen, muss es einfach mal raus: Die Kommunikation von Senat, Behörden und Parteien ist inzwischen in vielen Fällen zu einem absurden Kauderwelsch verfallen, in dem längst eine Prise Anarchie steckt.
Das politisch extrem angesagte, beim Wahlvolk verhasste und rechtschreibregelwidrige Gendern etwa wird mal unterlassen, dann satiregleich auf die Spitze getrieben. Wenn Anglizismen das Salz in der Suppe sind, ist jede zweite Suppe versalzen. Und wirklich verständlich ist das, was dort in den Schreibstuben verfasst wird, zu selten. Vielleicht sollte der Senat ein Langenscheidt-Wörterbuch herausgeben: Senatisch/Deutsch und Deutsch/Senatisch.
Inklusiv ist das neue Modewort
Auch wenn wir nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen sollten - schließlich ist weder jeder Satz in dieser Zeitung noch in dieser Kolumne ein Meisterwerk –, wäre etwas mehr Sprachsorgfalt geboten: Gutes Deutsch ist zunächst vor allem verständliches Deutsch.
Bei den Sprachperlen der vergangenen Wochen wachsen aber die Zweifel. Was etwa möchte uns diese Überschrift sagen? „Hamburger Erfolgsgeschichte soll mit vergrößertem Blickwinkel fortgeschrieben werden: Bündnisentwurf für den Rad- und Fußverkehr steht für inklusive Mobilitätswende“. Inklusiv ist das neue Modewort, so gern benutzt wie nachhaltig oder glutenfrei. Exklusiv ist spätestens seit dem Siegeszug von „all-inclusive“ out – leider aber schließt diese Sprache viele Bürger aus, wenn in der gleichen Erklärung von „Protected Bike Lanes“ die Rede ist. So heißen moderne Radwege nun. Man spricht nicht mit allen, sondern lieber mit sich selbst.
Kein Scherz! Fußverkehr statt Fußgänger
Und lobt etwas zu laut die eigenen Erfolge: Das Bündnis für Rad- und Fußverkehr feiert die SPD allen Ernstes mit der Zeile „Jetzt kommt zusammen, was zusammen gehört“. Da wird der große Willy Brandt klein zitiert, der einst die Wiedervereinigung mit dem wunderschönen Satz begrüßte: „Es wächst zusammen, was zusammengehört.“
Als sei das noch nicht schlimm genug, hat der Fußgänger ausgedient: Um keinen diversen Flaneur zu diskriminieren, heißt es nun, siehe oben, Fußverkehr. Kein Scherz! Fußverkehr ...
Drei Floskeln in einem Atemzug
Und man spricht Englisch, um sich modern zu schminken. Der Wirtschaftssenator etwa will einen „Innovationsbooster zünden“. Und Bergedorf gönnt sich das Projekt „Bergedorf Now“, um die Innenstadt „akteursbezogen mit zukunftsfähigen Maßnahmen nachhaltig“ zu stärken. Drei Floskeln in einem Atemzug: akteursbezogen, zukunftsfähig, nachhaltig. Ein geschwätziges Wortgewitter, knapp vorbei am Gewäsch.
Und offenbar ansteckend ... Als es nun um eine gute Idee zum Tierschutz ging, wurde die Vorsitzende des Tierschutzvereins in der Behördenmitteilung zum illegalen Welpenhandel so zitiert: „Das stellt uns als Tierschützer:innen vor große logistische und emotionale Herausforderungen.“ Verdammt noch mal, darf man nicht einmal mehr wütend sein?
In keiner Partei ist eine Mehrheit für das Gendern
Wer Sprachperlen in der Hamburger Politik sammelt, kann rasch einen Perlenhandel begründen. Die Grünen feierten die Kennzeichnungspflicht für Polizisten so: „Von Anmelder*innen und Teilnehmer*innen von Versammlungen, die an der Evaluation teilnahmen, wurde eine bessere Ansprechbarkeit der Beamt*innen festgestellt, und einige gaben an, eine gesteigerte Fairness und Achtsamkeit wahrgenommen zu haben.“ Die SPD freute sich, dass „Polizist:innen“ keine finanziellen Nachteile entstünden.
Die Sprachverunstaltung des Genderns hatten ich vor drei Jahren an dieser Stelle noch verulkt – nun drückt die Politik sie mit Macht durch: Sprache als Machtinstrument. Umfragen zeigen, dass in keiner Partei – nicht einmal bei den Grünen – eine Mehrheit für das Gendern ist. Immerhin: Bürgermeister Tschentscher oder die Bildungsbehörde sparen sich Sternchen, Unterstriche oder Doppelpunkte.
Manche können es noch. Finanzsenator Andreas Dressel sagte: „Beide Seiten haben Verantwortung bewiesen, ein harter Arbeitskampf im zweiten Corona-Winter wäre niemand zu vermitteln gewesen.“ Ein Satz, der eine Botschaft vermittelt und den die Menschen verstehen, fällt heute schon auf.