Rechte Straftaten sind so zahlreich wie lange nicht mehr. Neonazis konnten sich in manchen Orten etablieren.
Was Drohungen mit einem Menschen machen, hat die Anwältin Seda Basay-Yildiz gespürt. Sie musste umziehen, raus aus ihrer vertrauten hessischen Nachbarschaft, samt Familie. Ihre gerade zwei Jahre alte Tochter und die Juristin standen im Visier mutmaßlicher Terroristen. Rechtsextremisten schrecken in Deutschland vor nichts mehr zurück – selbst ein Kind wird zur Zielscheibe.
Drohbiefe unterschrieben mit "NSU 2.0"
Ermittler haben nun einen 53 Jahre alten Deutschen festgenommen, über Jahre soll er Drohbriefe verfasst haben, unterschrieben mit „NSU 2.0“. Auch an Basay-Yildiz soll der Beschuldigte geschrieben haben.
Rechte Täter fühlen sich sicher in Deutschland. Und sie verüben so viele Straftaten wie seit 2001 nicht. In Deutschland ist ein Klima entstanden, in dem sich Menschen mit dunkler Hautfarbe, Geflüchtete, politisch Aktive, Muslime und Juden nicht mehr sicher fühlen. In vielem rühmt sich Deutschland als Weltspitze: Fußball, Exporte, Wohlstand, Klimaschutz. Im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus hat Deutschland vieles versäumt.
Neonazis übernehmen soziale Dienste wie Kinderbetreuung
Neonazis konnten sich in manchen Orten etablieren, richten Festivals aus, eröffnen Geschäfte, übernehmen soziale Dienste wie Kinderbetreuung und Jugendfreizeit in Regionen, in denen der Staat sich zurückgezogen hat. Die Regierungen haben Budgets für Sozialarbeit und Jugendhilfe über Jahre zurückgefahren – nun müssen sie viel Geld in Anti-Nazi-Projekte investieren. Das ist nicht mehr als Schadensbegrenzung.
Razzien und Verbote gegen rechts reichen nicht. Gerade in Regionen, in denen Rechte den Arbeitgeber oder Sozialarbeiter geben, muss der Staat investieren: in Polizei, in Bildungsangebote, in Jobs und Freizeit. Aus einem Klima der Angst muss ein Klima der Gegenwehr erwachsen.