Frank-Walter Steinmeier bringt alle Voraussetzungen für das Amt des deutschen Staatsoberhauptes mit

Deutschland hat einen neuen Bundespräsidenten, der dritte Sozialdemokrat nach Gustav Heinemann und Johannes Rau. Die Wahl Frank-Walter Steinmeiers war natürlich keine „Farce“, obwohl er in der Bundesversammlung als Einziger eine Chance hatte.

Dass sich die großen Parteien auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen konnten, ist eher erfreulich als kritikwürdig. Zu oft musste der Wähler erleben, wie überzeugende Personalien am Ende kleinkrämerisch am falschen oder mangelnden Parteibuch scheiterten. Beinahe wäre es Joachim Gauck so gegangen, der in der Bundesversammlung zum Abschied fast wie ein Popstar gefeiert wurde und sogar mehr Applaus als der neue Bundespräsident erhielt.

Beklagenswert ist aber, wie lange die Suche nach einer geeigneten Persönlichkeit für dieses Amt gedauert hat und wie erschreckend wenige Namen am Ende übrig geblieben sind. Das muss man nicht nur der Politik anlasten.

Es ist offensichtlich, dass die Bereitschaft der deutschen Eliten, sich in politischen oder staatlichen Ämtern für die Gesellschaft einzusetzen, immer stärker schwindet. Deutschland hat begnadete Wissenschaftler, Unternehmer und Kulturschaffende – aber sie haben meistens eines gemeinsam: Sie machen einen großen Bogen um die Politik und haben wenig Lust, sich mit allen Konsequenzen – auch wirtschaftlichen Nachteilen – einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit zu stellen.

Jetzt also Frank-Walter Steinmeier.

Er wollte dieses Amt sicher „mit jeder Faser seines Körpers“, um es mit Sigmar Gabriel zu sagen. Das spürten alle, die ihn besser kennen. Auch die breite Öffentlichkeit hat das verstanden und am Ende auch die Große Ko- alition. Und Steinmeier passt in das Amt des Ersten Mannes im Staat. Nein, er ist dort sogar besser aufgehoben als im Auswärtigen Amt. Der diplomatische, verbindliche Ton und der Glaube an den Sieg des Guten liegt in Steinmeiers Genen. Er konnte offenbar nicht aus seiner Haut, wenn er sich als Außenminister auch zu den hässlichsten Schauplätzen der Weltpolitik gelegentlich erstaunlich moderat geäußert hat.

Das Verbindliche, Nachdenkliche wird Steinmeier im neuen Amt helfen. Aber er wird erst dann ein großer Bundespräsident, wenn er die große Freiheit des Amtes erkennt, politisch unbequem zu sein und Missstände mutig zu benennen. Das ist nötig, denn die Zeiten haben sich dramatisch geändert.

Deutschlands wichtigster Verbündeter wird von einem Präsidenten regiert, der binnen drei Wochen fast alle gemeinsamen Grundwerte des Westens infrage gestellt hat. In Moskau residiert ein Präsident, der das Völkerrecht eher als Option sieht und bereit ist, Grenzen mit militärischer Gewalt zu versetzen. Die Europäische Union könnte nach einem Wahlsieg Marine Le Pens zerfallen, und in Deutschland erleben wir den Beginn eines politischen Grabenkrieges mit einer dramatischen Verschiebung nach rechts sowie – so muss man es leider angesichts der unkontrollierten Zuwanderung sagen – Teilauflösung staatlicher Ordnungsprinzipien.

Hier ist genug Raum für klare Worte und moralische Leitplanken, die ein Bundespräsident setzen muss. Nur mit Freundlichkeit und Empathie wird Steinmeier dabei keine Wirkung erzielen können.

Dass der neue Bundespräsident das verstanden hat, konnte man aus seiner Antrittsrede heraushören. Frank-Walter Steinmeier will Mutmacher für Deutschland sein. Der Bundespräsident und wir alle werden diesen Mut in den nächsten Monaten dringend brauchen.