Lohbrügge. Ein Bekannter drückte Muhammet O. den Sprengkörper in die Hand. Im UK Boberg hofft er auf eine Prothese.

Bei der Geburtstagsfeier, die sein Leben verändern sollte, war Muhammet O. (Name geändert) eher zufällig zu Gast: „Ein guter Freund hatte mich mit nach Lohbrügge genommen“, erinnert sich der 41-Jährige aus Eimsbüttel an den Abend des 29. August am Ulmenliet. „Es waren richtig nette Leute, viele Pärchen. Als es nach einer Stunde zu dämmern begann, standen wir im Garten, plauderten. Ein paar Kinder spielten auf dem Rasen. Ich hatte ein Bier in der rechten Hand, als mein Kumpel mir irgendwas zusteckte.“

„Halte das mal“, soll er noch gesagt haben – und Muhammet griff es mit der linken Hand, ohne richtig hinzugucken. „Plötzlich zündelte er daran rum. Und als ich hinschaute, rief er auch schon: ,Schmeiß schnell weg!’ Da erst nahm ich wahr, dass es ein riesiger Böller war, so groß wie eine Dynamitstange.“

Der Syrer sagt: „Ich hasse Feuerwerkskörper“

Ein Schock für den Eimsbütteler, der vor zehn Jahren aus Syrien emigrierte: „Ich hasse Feuerwerkskörper. Um sowas mache ich seit meiner Kindheit einen großen Bogen.“ Jetzt hielt er einen gezündeten Sprengkörper in der Hand, blickte sich um. „Aber da standen überall Menschen, spielten Kinder. Wohin sollte ich das schreckliche Ding werfen?“

An die Explosion des Pyrotechnikriesen in seiner linken Hand – ein nur für zertifiziertes Fachpersonal zugelassener „Blitz“ mit der zehnfachen Sprengwirkung eines D-Böllers – kann er sich nicht mehr erinnern. „Aber ich spürte sofort, dass mir etwas Schlimmes passiert war. Überall klebte Blut. Ich traute mich nicht, hinzuschauen. Bis zum Unterarm fühlte sich alles einfach nur brennend heiß an.“

Die Amputation der Hand war unumgänglich

Die anderen Partygäste leisteten sofort Erste Hilfe. Rettungswagen und Notarzt brachten ihn ins Unfallkrankenhaus Boberg, eine der besten Kliniken für Handchirurgie in Deutschland. Doch die Ärzte konnten die Hand nicht mehr retten. Die Amputation war unumgänglich, nur das Handgelenk selbst konnte gerettet werden.

„Das habe ich bei den Ärzten durchgesetzt. Vielleicht kann ich so später eine Prothese bekommen, mit der ich wieder greifen kann“, sagt Muhammet O., der zwei Wochen nach dem schrecklichen Unfall tatsächlich schon ein bisschen von seinem Optimismus wiedergefunden hat.

Muhammet wollte sich zum Mechatroniker umschulen lassen

„Aber die ersten Tage waren schrecklich“, gesteht er. „Man vergisst, dass die Hand fehlt und will zugreifen. Aber das geht ja nicht.“ Zudem sei unklar, wie es jetzt mit seinen beruflichen Plänen weitergehe: „Ich wollte gerade meine Umschulung zum Mechatroniker im Fachbereich Robotik starten. Ob das aber ohne linke Hand noch geht, weiß ich nicht.“

Der Schock über den Unfall hat bei den anderen Partygästen eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst: „Ich kannte die ja vorher kaum. Aber viele sind jetzt schon gute Freunde geworden“, sagt Muhammet O. vor allem mit Blick auf die Escheburgerin Angela Timm und auch Gastgeberin Sabine Pape, die vor zwei Wochen am Ulmenliet ihren 42. Geburtstag feierte. Sie besuchen ihn täglich in der Klinik, helfen ihm und seiner Freundin in allen Problemen und das neu zu ordnende Leben.

Partygäste selbst haben bereits Geld gesammelt

„Das ist für mich selbstverständlich. Wir müssen Muhammet in seiner Lage unterstützen. Das sind wir ihm schuldig“, sagt Angela Timm, die in Zusammenarbeit mit der Caritas auch ein Spendenkonto für ihn eingerichtet hat: Unter der IBAN DE 34 4006 0265 0202 0208 00 (Konto der Caritas bei der Darlehnskasse Münster) kann Geld für ihn eingezahlt werden. Die Partygäste selbst haben bereits mehrere Hundert Euro überwiesen. Auch läuft ein Spendenaufruf auf Facebook über verschiedene Gruppen, darunter auch bei „Du bist ein Bergedorfer“.

Das Geld soll Muhammet O. auf seinem Weg zurück ins Leben helfen, eventuell auch Behandlungen ermöglichen, die die Krankenkasse nicht übernimmt. Zudem geht es um die Suche nach einer Handprothese, die er möglichst gut bewegen und mit der er im Alltag trotz Amputation alles greifen kann.

Beim Gedanken an die Prothese ist der Optimismus des 41-Jährigen spürbar: „Vielleicht liegt für mich genau darin die Chance zur Umschulung. Ich könnte mir gut vorstellen, in der Robotik meinen Fokus auf medizinische Prothesen zu legen.“

Laut Muhammet O. ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen schwerer Körperverletzung.