Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) über das Für und Wider – und die möglichen Alternativen.

Ob Impfpflicht, Teilimpfpflicht oder hohe Impfquoten auf freiwilliger Basis – vor dem Hintergrund von neuen Virus­varianten und teilweise nachlassendem Impfschutz müssen wir uns in Deutschland darauf vorbereiten, den Menschen möglicherweise regelmäßig ein Impfangebot zu machen – so wie das ja beispielsweise bei der Influenza-Impfung jährlich der Fall ist. Dabei können Apotheker, Zahnärzte oder Tierärzte eine Rolle spielen. Aber möglicherweise brauchen wir ergänzend auch ein gesamtgesellschaftlich finanziertes staatliches Angebot in Form von Impfstellen, die immer zur Verfügung stehen.

Irgendwann müssen wir ja auch raus aus der Dauerpandemie und lernen, mit dem Virus – und möglichen regelmäßigen Impfungen dagegen – zu leben. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Entscheidung des Einzelnen, sich nicht impfen zu lassen, kann verheerende Folgen haben für Menschen, die sich nicht impfen lassen können. Sie kann verheerende Folgen haben für Menschen, deren Operationen in Kliniken aufgrund der vielen Corona-Patienten verschoben werden müssen.

Gibt es noch Alternativen zur allgemeinen Impflicht?

Sie kann verheerende Folgen haben für Menschen, die besonders anfällig sind für eine Erkrankung – beispielsweise Bewohnerinnen und Bewohner in Altenpflegeeinrichtungen. Deswegen ist es richtig, dass die neue Bundesregierung eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen auf den Weg gebracht hat. Das ist eine Maßnahme, die ich ausdrücklich unterstütze. Es ist im medizinischen Bereich – und im Umgang mit besonders gefährdeten Menschen – unverzichtbar, alles, wirklich alles dafür zu tun, dass wir dem Virus keine Chance lassen. Deswegen ist eine Impfpflicht für Menschen, die mit besonders für das Virus und für Impfdurchbrüche anfälligen Menschen zu tun haben, richtig und konsequent.

Nun wird darüber hinaus breit über eine generelle Impfpflicht diskutiert. Diese wurde von der Politik zu früh kategorisch ausgeschlossen. Wir befinden uns seit zwei Jahren in einer Pandemie. Die Krankenhäuser, Gesundheitsämter, die Ärzteschaft und weitere Beteiligte sind über alle Maßen gefordert und belastet. Es werden Patientinnen und Patienten innerhalb Deutschlands aus dem Südosten in den Norden verlegt – da es kein Personal mehr gibt, das zum Teil vorhandene Intensivbetten betreiben könnte. Dabei könnte die Impfung Abhilfe schaffen. Sie wirkt und ist sicher, Milliarden Menschen sind damit weltweit bereits geschützt. Und je schneller der Impffortschritt fortschreitet, desto besser gelingt es, die Gefahr einzudämmen, dass sich immer neue Virusvarianten entwickeln – gerade auch solche, gegen die bisherige Impfstoffe nicht oder nicht mehr im gleichen Maße wirksam sind.

Eingriffe in die individuelle Freiheit als Alternative

Vor diesem Hintergrund müssen wir die aktuelle Debatte über eine allgemeine Impfpflicht führen – weil zur Freiheit untrennbar auch die Verantwortung gehört. Als Gesundheitsminister ist die Gesundheit der Bevölkerung mein wichtigstes Anliegen. Als Freier Demokrat spielen für mich dabei die Autonomie, Eigenverantwortung und Freiheit des Individuums entscheidende Rollen. Natürlich wäre eine Impfpflicht ein schwerwiegender Eingriff in die Freiheit und Autonomie des Einzelnen. Die Alternative allerdings wäre in der aktuellen Situation – wenn diese in vielen Regionen Deutschlands so dramatisch bleibt wie im Augenblick – nicht nur ein erhöhtes Risiko für den Einzelnen selbst.

Die Alternative zur Impfpflicht wären möglicherweise andere Eingriffe in die Freiheit und Autonomie des Einzelnen, wie wir sie bereits in Laufe dieser Pandemie an der einen oder anderen Stelle gesehen haben: Instrumente wie Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen, Schließung von Schulen und Gastronomie, Kontaktbeschränkungen, strikte Besuchsverbote etwa von Angehörigen in Krankenhäusern oder in der Altenpflege.

Was erreichen wir mit einer allgemeinen Impfpflicht?

Das sind ebenfalls gewichtige Eingriffe in die persönliche Freiheit und die Autonomie jedes und jeder Einzelnen. Das sind zudem Eingriffe, die eine Reihe weiterer Probleme der psychischen und körperlichen Gesundheit hervorrufen können, die soziale und wirtschaftliche Probleme nach sich ziehen können. Und diese Eingriffe haben sich eben gerade nicht als permanente Lösung erwiesen. Sie haben nur zeitweise geholfen, den Anstieg an Neuinfektionen zu bremsen.

Deswegen muss jetzt gut abgewogen werden. Was erreichen wir mit einer allgemeinen Impfpflicht? Wie kann eine solche Pflicht ausgestaltet und umgesetzt werden? Entsprechende Vorschläge sollen jetzt durch Abgeordnete im Deutschen Bundestag unterbreitet werden. Das ist richtig so. Hier muss eine ausführliche Debatte um das Für und Wider eines solchen Eingriffs erörtert werden. Am Ende wollen doch alle eines: das Ende der Pandemie. Das Ende der Corona-Maßnahmen. Ein Leben in Freiheit und Eigenverantwortung.