Hamburg. Immobiliensuchende dürfen keine Zeit verlieren. Davon brauchen sie auch genug, um überhaupt etwas zum Besichtigen zu finden.
Es gab eine Zeit, da dachte ich, die Immobiliensuche würde sogar Spaß bringen. Das war, bevor ich gesucht habe. Das erste Haus haben wir uns vor rund drei Jahren angesehen, es wurde über die üblichen Portale angeboten: Jahrgang 2001, 120 Quadratmeter, Keller, Tiefgarage, kleiner Garten, sehr guter Zustand, für 540.000 Euro. Also etwas, was man alle naselang findet, nur noch besser. Dachte ich damals.
Heute weiß ich: So ein Angebot kommt in Hamburg eigentlich gar nicht auf den Markt. Ahnungslos, wie ich war, beging ich jedoch direkt einen Kardinalfehler: Weil wir etwas vorhatten, lehnte ich den von der Besitzerin vorgeschlagenen Besichtigungstermin ab und vereinbarte einen späteren. Als wir dann durchs Haus gingen, war es praktisch schon weg. Alle, die am Vortag da gewesen waren, wollten es haben, und die Eigentümerin hatte sich längst für eine andere Familie entschieden.
Besichtigungstermine stehen immer an erster Stelle
Regel Nummer eins lautet deshalb: Kein Termin ist so wichtig wie ein Besichtigungstermin. Weder der Geburtstag der Oma noch die Hochzeit der besten Freundin. Wer ein Haus oder eine Wohnung haben will und nicht gerade mit Wehen auf dem Weg ins Krankenhaus ist (im Freundeskreis schon vorgekommen), muss sofort parat und am besten vor allen anderen vor der Tür stehen.
Ein Bekannter berichtete neulich von seinem Anruf bei einem Makler und dessen Angebot, die Immobilie, für die er sich interessiert hatte, anzusehen – jetzt sofort. Sofort war allerdings ein Montagmittag und mein Bekannter in einem wichtigen Meeting, weshalb er bat, gleich am nächsten Morgen kommen zu können.
Regel: Feierabend war gestern
Am Abend rief ihn der Makler an, um ihm mitzuteilen, dass er nun bereits genug ernsthafte Kaufinteressenten habe. Muss man mit rechnen bei einer Altbauwohnung in Eppendorf. Allerdings ging es hier um ein renovierungsbedürftiges Doppelhaus am Rand von Rahlstedt. Regel Nummer zwei: Regel Nummer eins gilt auch für berufliche Termine.
Was uns zu Regel Nummer drei bringt: Feierabend war gestern. Wer sein Handy aus der Hand legt, kann auch gleich die Flinte ins Korn werfen. Schließlich ploppen auf dem Smartphone die Ergebnisse der Suchanfragen auf, die alle auf den gängigen Suchportalen von Immoscout bis Ebay Kleinanzeigen hinterlegt sind – auch wenn alle sagen, dass das eh nichts bringt.
Immobiliensuche in Hamburg ist ein Marathon
Zumindest nicht, wenn man den Anbieter nicht schnell genug anschreibt. Eine Stunde später kann die Anzeige schon wieder gelöscht sein, Stichwort „genug ernsthafte Kaufinteressenten“. Wie oft ich morgens ein Angebot vom späten Vorabend anklicken wollte und nur noch zu lesen bekam: „Der Anbieter hat das Objekt deaktiviert.“ Spätestens dann möchte man das Handy sonst wohin werfen.
Wer zu spät kommt, den bestraft der Makler. Dabei ist die Immobiliensuche in Hamburg gewiss kein Sprint, sondern ein kräfte- und nervenzehrender Marathon. Und ein Vollzeitjob. Wie viele Tage man allein damit verbringen kann, alle infrage kommenden Makler, Bauträger und sonstigen Vermittler zu kontaktieren, um sich in deren Kartei aufnehmen zu lassen und so an die Objekte zu kommen, bevor sie in den Portalen aufploppen. Damit man ja nichts verpasst, fasst man die Suchkriterien deutlich weiter als man will – räumlich und finanziell.
Besichtigung beansprucht am wenigsten Zeit
Mit der Folge, dass das Handy jetzt ständig ploppt und
man permanent dabei ist, Angebote zu sichten, anzuschreiben, um die genaue Adresse zu erfahren, auf Google Maps zu recherchieren, Grundrisse zu studieren, eventuell eine Vorabbesichtigung des Umfelds vorzunehmen, Entfernungen zu S-Bahn, Supermärkten und Schulen auszurechnen, mit Nachbarn zu sprechen und am besten noch mit der Bank. Überstunden in schlaflosen Nächten, in denen man sich fragt, wie viele Kompromisse man eingehen kann, inklusive.
Die Immobilie hat man zu diesem Zeitpunkt wohl gemerkt noch nicht besichtigt , wobei ich Ihnen aus meiner nun selbstverständlich weitreichenden Erfahrung sagen kann: Das nimmt am wenigsten Zeit in Anspruch – die meisten Angebote hat man schon vorher erfolgreich totrecherchiert. Großer Spaß.