Hamburg. Die Initiative unterstützt die Ärmsten in der ganzen Stadt. Wie nötig das ist, beschreiben Mitarbeiter zahlreicher Organisationen.
Die ersten 4500 Lebensmittel-Gutscheine sind seit Freitag verteilt, am Montag werden weitere 6000 Gutscheine ausgegeben. Damit können nun tausende Bedürftige in der Stadt ganz schnell versorgt werden. Die Hilfsbereitschaft der Hamburger ist wieder einmal beeindruckend. Unzählige Einzelpersonen, aber auch Unternehmen, Stiftungen und Institutionen in der Stadt unterstützen die große Hilfsaktion des Vereins „Hamburger Abendblatt hilft“ mit seiner Initiative „Von Mensch zu Mensch“ mit kleinen und großen Spenden. Der Abendblatt-Verein kauft von den Spendengeldern Lebensmittelgutscheine bei Handelsketten und reicht diese an gemeinnützige Institutionen weiter. Diese verteilen die Gutscheine im Wert von 25 Euro an die Bedürftigen.
Zu den ersten Gutschein-Empfängern gehört das Diakonische Werk Hamburg. Abendblatt-Redakteurin Sabine Tesche überreichte Diakonie-Vorstand Tobias Woydack und Melanie Mücher schon am Donnerstag 1500 Gutscheine. Sie werden an Stadtteilmütter, Schulden- und Schwangerenberater sowie Obdachlosen-Initiativen des Hilfswerks verteilt. „Für viele Menschen bricht gerade eine Einnahmequelle ab. Viele unserer Gäste sammeln Flaschen, aber jetzt, wo keine Menschen mehr auf der Straße sind, haben sie keine Möglichkeit mehr, so viel Pfand zu sammeln, dass man davon leben kann.
Resonanz auf die Abendblatt-Hilfsaktion ist enorm
Anderen Menschen, die mit Betteln oder kleinen Unterstützungen in der Innenstadt über die Runden kommen, bricht das auch weg. Insofern sind sie total froh über jede Unterstützung“, sagt Melanie Mücher, Leiterin des Diakonie-Zentrums für Wohnungslose in Eimsbüttel. Dort könnten die Menschen noch einzeln duschen und man gebe fast 100 warme Essen portionsweise an der Terrassentür aus. Die Aktion des Abendblatts sei aber deshalb so großartig, „weil so ein Lebensmittelgutschein wieder ein Stück Freiheit zurück ist. Man kann einfach das einkaufen, was man mag und worauf man grade Lust hat.“ Pastor Woydack schätzt allerdings, dass die vielen Gutscheine nur bis Ostern reichen, „dann würden wir gern wieder nachfragen“.
Die Resonanz auf die Abendblatt-Hilfsaktion ist enorm, der Bedarf aber auch. Die Hilfe wird an vielen Stellen in der Stadt dringend gebraucht. Denn viele Menschen erleiden durch die Corona-Pandemie bittere Not, viele Einrichtungen mussten den persönlichen Kontakt mit ihren Klienten wegen der Ansteckungsgefahr einstellen. Die Flut an Hilfeersuchen reißt daher nicht ab.
Fehlen der Mahlzeiten in Schulen und Kitas belastet die Familien
Britta Maihöfer von der katholischen Beratungsstelle für Frauen, Familien und Schwangere in Altona bittet um 50 Gutscheine. Sie beschreibt, das vor allem Menschen am Rande des Existenzminimums sich melden würden, weil das Geld für den täglichen Bedarf fehle. „Vielen bricht das Einkommen aus Aushilfstätigkeiten weg, Anträge auf aufstockende Leistungen können nicht oder nur verzögert gestellt werden.“ Aus dem gleichen Stadtteil hat sich Marie Carla Kern vom „Flaks – Zentrum für Frauen“ gemeldet.
Das ist eine Begegnungsstätte und ein Mehrgenerationenhaus in Altona-Nord. Ihr Angebot richtet sich an die Frauen und Kinder mit niedrigem Einkommen. „Über die telefonischen und digitalen Kanäle erfahren wir viel über die Ängste und Sorgen der Frauen in dieser unsicheren Zeit. Nicht nur die Beschulung und Betreuung der Kinder zu Hause stellt eine große Herausforderung dar, sondern auch das Fehlen der Mahlzeiten in Schulen und Kitas belastet die Familien. Für sie bräuchten wir 370 Gutscheine“, schreibt Koordinatorin Kern. Es sind viele Kinder- und Jugendhilfe-Träger, die sich um Gutscheine bemühen, wie „Die Arche“ aus Jenfeld oder die „Familienhelden e.V.“, die in Rahlstedt sitzen und um 200 Gutscheine unter anderem für ihre Jugend- und die Mutter-Kind-Wohnungen angefragt haben.
Zahlreiche Kirchengemeinden haben bereits um Hilfe gebeten
Auch zahlreiche Kirchengemeinden haben bereits um Hilfe gebeten. „Wenn es möglich ist, würde ich mich über 20 Gutscheine freuen für die Menschen, die an meiner Tür erscheinen und bei uns im Winternotprogramm sind“, schreibt Christoph Borger, Pastor der St. Petrus Kirchengemeinde Heimfeld. Ulf Sterz, Pastor in St. Georg-Borgfelde, will sogar eine Ausgabemöglichkeit für Lebensmittelgutscheine einrichten.
„Denn in diesen Tagen wird es im Umfeld unserer Kirchengemeinde immer deutlicher, dass neben den Bedürfnissen wohnungsloser Menschen, die wir jeden Freitag mit der Lebensmittel- und Suppenausgabe an unserer Kirche zu stillen suchen, immer mehr Einwohner unseres Stadtteils in so große wirtschaftliche Not geraten, dass die Versorgung mit Lebensmitteln für diese oft freiberuflichen Menschen ein existenzielles Problem wird“, schreibt der Pastor. Der kirchliche Dienst in der Arbeitswelt bittet um 30 Lebensmittelgutscheine für „bedürftige Solo-Selbstständige, Handwerker und Künstler“.
Leser spenden – und geben für sich selbst weniger aus
Auch das Sozialkaufhaus BaNotke und die integrative Begegnungsstätte Park Café Lutherpark haben um Lebensmittelgutscheine gebeten. „In meinem Projekt sind 40 Menschen als Ein-Euro-Jobber beschäftigt, diese Beschäftigung gilt als eine Maßnahme des Jobcenters“, sagt Betriebsleiterin Georgia Schmidt-Lendner. Das müsse nun zu Hause bleiben. „Alle haben oder leiden an multiplen Hemmnissen. Sie haben eine wichtige Aufgabe und geben alles. Sie bekommen für die Zeit, in der sie arbeiten, eine Mehraufwandsentschädigung von 1,60 Euro die Stunde.“ Das entfalle jetzt.
Die Bereitschaft zu helfen ist ungebrochen: „Wir wollen nur kurz sagen: prima Aktion“, schreiben die Abendblatt-Abonnenten Christel und Diether R. aus Delingsdorf stellvertretend für viele Leser, die spenden: „Durch die Corona-Bremse haben wir einige Ausgaben eingespart. Ergo haben wir heute 300 Euro für Lebensmittelgutscheine überwiesen. Die sind jetzt am wichtigsten!“