Hamburg. Die HSV-Mitglieder müssen entscheiden zwischen Kontinuität oder Revolution. Wann Boldt und Wettstein zittern müssen.

Als hätte der Club nicht schon genug Probleme. Angefangen damit, dass sich die Hamburger in dieser Saison zum dritten Mal um die Zugangsberechtigung für die Fußball-Bundesliga bemühen müssen. Corona mit Mindereinnahmen in Millionenhöhe inklusive. Und genau in einer Phase, in der es auf dem Rasen – man wagt es kaum zu formulieren – endlich rundzulaufen scheint, wird der HSV von der nächsten vereinspolitischen Krise in seinen Grundfesten erschüttert. Das schafft nur der HSV.

Wer bisher noch glaubte, der Grabenkampf zwischen e. V.-Präsident Marcell Jansen und seinen Stellvertretern Thomas Schulz und Moritz Schaefer sei ein lästiges und bald erloschenes Störfeuer, weiß es nun besser. Nach dem in der Clubhistorie einmaligen Abwahlantrag aller (!) HSV-Gremien gegen Schulz, über den bei einer digitalen Mitgliederversammlung abgestimmt werden soll, ist eine regelrechte Schlacht um die Macht beim HSV entbrannt.

HSV: Kommt Köttgen, muss Boldt gehen

Das Vorgehen des Lagers Schulz und Schaefer erinnert dabei an das legendäre Brettspiel „Stratego“, bei dem die Spieler mit taktischer Raffinesse versuchen müssen, mit ihren verschiedenen Spielsteinen die Fahne des Gegners zu erobern. Wer als Mastermind hinter den Kulissen die Strippen zieht? Ein Tipp ist naheliegend, auch wenn er dies weiter heftig dementiert: der ehemalige Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann, der im März 2020 vom Aufsichtsrat (mit 5:2-Stimmen) vom Hof gejagt wurde.

Damals erklärten der Aufsichtsratsvorsitzende Max-Arnold Köttgen und sein Kollege Schulz nach Hoffmanns Abwahl sofort ihren Rücktritt aus dem Gremium. Nun steht Köttgen auf einer Vorschlagsliste Schaefers mit fünf Aufsichtsratskandidaten. Gelänge es, den kompletten Rat der Kontrolleure auszutauschen, wäre die Übernahme perfekt. Denn eines ist klar: Bei einem Comeback Köttgens sind die Tage der Vorstände Jonas Boldt und Frank Wettstein und auch des Präsidenten Marcell Jansen gezählt.

Auch er soll sich dieser Tage nicht öffentlich zu möglichen Geisterpielen äußern: HSV-Sportvorstand Jonas Boldt.
Es kann nur einen geben: Muss Jonas Boldt (l.) die Comeback-Pläne von Bernd Hoffmann fürchten? © Witters | Unbekannt

Ob sich Schaefer und Schulz als Steigbügelhalter für eine Rückkehr Hoffmanns auf den Vorstandsthron betätigen wollen oder sie eine Neubesetzung des Vorstands anstreben, wissen nur sie selbst. Dass sich Hoffmann bei Äußerungen zu seinen persönlichen Ambitionen in der Vergangenheit sehr, sagen wir mal, taktisch verhielt, ist hinlänglich bewiesen.

HSV-Machtkampf: Wie geschickt Opposition vorgeht

Fest steht nur: Ähnlich generalstabsmäßig wie damals seine Rückkehr an die HSV-Schaltzentrale der Profis über den Umweg Präsidentschaft läuft im früheren „Team Hoffmann“ jetzt die Beschaffung von Stimmen unter den Mitgliedern. Denn die Hauptschlacht wird auf der wohl im März stattfindenden Versammlung des Vereins geschlagen, wenn es um Schulz’ Zukunft geht.

Der sportliche Höhenflug des Tabellenführers spielt den Amtsinhabern in die Karten. Doch geschickt versucht die Opposition gerade, im aktiven Fanlager um Unterstützung zu werben, indem eine Front gegen den Einfluss von Investoren aufgebaut wird und sogar ein Ul­tra-Vertreter auf der Liste der Aufsichtsratskandidaten steht.

Diese Liste müsste aber erst noch vom HSV-Beirat durchgewinkt werden, bevor sie bei der Hauptversammlung (dort ist der e. V. der Mehrheitsgesellschafter, Schulz und Schaefer könnten Präsident Marcell Jansen überstimmen) berufen werden könnten.

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Die Mitglieder haben es in der Hand, Kontinuität in der Führung zu wählen oder aber den Weg zu ebnen für einen radikalen personellen Neuanfang, für eine kleine Revolution. Man kann sich als Beobachter nur wünschen, dass sich die Basis zahlreich an der digitalen Versammlung beteiligt und zuvor umfangreich informiert, um was es wirklich geht. Niemand soll später sagen müssen: Ach, hätte ich das bloß gewusst.