Bad Oldesloe. Gutachten der Northern Business School empfiehlt Entlastung der Strecke Lübeck – Hamburg durch mehrere Bypässe.

Als „überaus hoffnungsvollen Beitrag“ für eine konstruktive Lösung bei der Bewältigung des Güterverkehrs im Zusammenhang mit der festen Fehmarnbeltquerung (FBQ) bezeichnete der Wirtschaftsausschussvorsitzende des Stormarner Kreistags, Wolfgang Gerstand (CDU), den kürzlich vorgelegten Forschungsbericht des Institute of Northern-European Economic Research der Northern Business School (NBS) Hamburg. „Weniger Züge, weniger Lärm – wird umgesetzt, was in dem Papier steht, würde das die betroffenen Städte und Gemeinden in Stormarn deutlich entlasten“ so Gerstand.

Wie bereits berichtet, werden auf der Strecke Lübeck–Hamburg jüngsten Prognosen der Bahn zufolge bis 2030 je nach Streckenabschnitt zwischen 186 und 326 Züge innerhalb von 24 Stunden verkehren. Davon entfallen bis zu 94 Züge auf den Güterverkehr. Das hatte im Kreis vehemente Forderungen nach einem übergesetzlichen Lärmschutz und der Ertüchtigung alternativer Routen ausgelöst.

Express Kopenhagen–Hamburg stündlich verkehren

„Aus unserer Sicht ist die nachhaltige Entlastung der Strecke Lübeck–Hamburg unumgänglich, soll die Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung künftig vernünftig funktionieren“, sagt Prof. Michael Stuwe, der Projektleiter an der NBS. Spätestens mit der Fertigstellung des Belttunnels könne sich niemand mehr wegducken. „Reagiert die Deutsche Bahn nicht, wird es auf der südlichen Haupttrasse zum Dauerstau kommen, der irgendwann unweigerlich in einen GAU mündet.“

So sollte sich der Schienenverkehr von und nach Skandinavien nach Ansicht der Northern Business School Hamburg aufsplitten.
So sollte sich der Schienenverkehr von und nach Skandinavien nach Ansicht der Northern Business School Hamburg aufsplitten. © Northern Business School Hamburg | DB Netz

Um das zu verhindern, existierten längst Lösungen, mit denen sich Bahn und Bund endlich ernsthaft beschäftigen müssten, weil Deutschland sonst die Zeit davonlaufe. „Die Dänen arbeiten ihren Teil des Staatsvertrags zügig und stringent ab, darauf ist Verlass“, so Stuwe. Allein schon mit der vorgesehenen Expressverbindung Kopenhagen–Hamburg im Stundentakt werde die Belastung der Strecke Lübeck–Hamburg deutlich zunehmen.

Alternative Trassen müssen ertüchtig werden

„Damit sie nicht permanent an ihre Kapazitätsgrenze stößt, muss die Belastung durch Bypässe verteilt werden“, erklärt Stuwe. Deshalb sei es dringend geboten, die bereits vorhandenen Trassen Lübeck-Büchen-Lüneburg und Lübeck-Bad Kleinen-Ludwigslust bei den Planungen mit in den Blick zu nehmen.

Die bestehende Strecke Lübeck–Hamburg, die künftig durch den Neubau der S 4 auch noch ins S-Bahn-Netz integriert wird, soll zwischen Hamburg-Wandsbek, der Güterumgehungsbahn Hamburg und Hamburg-Rothenburgsort optimiert werden. Die Strecke Lübeck-Büchen-Lüneburg müsse für 850-Meter-Züge ertüchtigt und elektrifiziert werden. Zusätzlich soll eine östliche Umfahrung des Kreuzungsbahnhofs Büchen entstehen, um eine Einfädelung in die Magistrale Hamburg–Berlin zu ermöglichen.

Entlastung um ein Drittel aller Züge wäre möglich

Zudem empfiehlt der Forschungsbericht eine zweigleisig ausgebaute und elektrifizierte Strecke Lübeck-Bad Kleinen-Schwerin samt Einfädelung in die Magistrale Hamburg–Berlin vor Ludwiglust. „Um das Kreuz Bad Kleinen zu entlasten, sollte hier eine westliche Umfahrung entstehen“, sagt Stuwe. Da es dort nur Wiesen und Felder gebe, stelle sie keine aufwendige logistische Herausforderung dar. Außerdem habe der Bund dafür bereits 80 Millionen Euro bereitgestellt.

Laut Schätzungen der Northern Business School könnten die alternativen Trassen die Hauptstrecke Lübeck – Hamburg um rund ein Drittel aller Züge entlasten. „50 Prozent des anfallenden Fehmarnbelt-Güterverkehrs in und aus dem Süden verbliebe auf der Hauptstrecke, der Rest würde sich auf die Trassen via Büchen und Bad Kleinen verteilen“, sagt Stuwe.

Hauptstrecke kann nicht gesamten Güterverkehr aufnehmen

Auch für Henning Reichardt vom Arbeitskreis Wirtschaft und Umwelt Bad Oldesloe wäre das ein Durchbruch. „Dafür haben wir zehn Jahre gearbeitet und geworben“, sagt Reichardt. „Der Forschungsbericht deckt sich mit unseren Vorstellungen und Forderungen zu den erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen im Zuge der Fehmarnbeltquerung und ihrer Auswirkungen.“

Die Strecke Lübeck–Hamburg könne durch den geplanten Ausbau der Strecke Neumünster–Bad Oldesloe niemals den gesamten FBQ-Güterverkehr aufnehmen. „Nur die Verteilung der Güterzüge in Lübeck nach Ziel- und Quellverkehr und die Nutzung der alternativen Trassen kann die notwendige Entlastung bringen“, so Henning Reichardt.

Bypässe könnten auch Personenverkehr besser anbinden

Die doppelgleisige Ertüchtigung der Strecken Lübeck--Büchen--Lüneburg und Lübeck--Bad Kleinen--Schwerin böten zudem ideale Voraussetzungen, auch den Personenverkehr besser anzubinden. „Damit dürfte dort auch die Zustimmung für den Ausbau des Schienennetzes steigen“, schätzt Wolfgang Gerstand.

Nicht zuletzt bekomme die Bahn durch die Aufteilung des Schienenverkehrs ein Redundant System, durch das bei Überlastungen und Betriebsstörungen flexibel reagiert und die Züge gegebenenfalls umgeleitet werden könne. „Längere Streckensperrungen sind ja schon jetzt nicht unbekannt und würden bei den momentanen Planungen der Bahn unvorstellbare Folgen haben“, fürchtet der Vorsitzende des Stormarner Wirtschaftsausschusses.