Nieblum. Wer wissen will, wie Fering klingt, muss FriiskFunk einschalten – hier ist und bleibt der friesische Dialekt höchst lebendig.

Wenn Heike Volkerts mit ihren erwachsenen Kindern spricht, dann versteht der Außenstehende nur sehr wenig. Ein paar Brocken vielleicht. Denn einzelne Wörter sind durchaus zu verstehen. Selbst Ehemann und Vater Jürgen kommt bei den Gesprächen zwischen Mutter und Kindern nicht unbedingt mit. Was ist los bei der Föhrer Familie? Keine Sorge. Alles bestens. Aber Heike und ihre Kinder Henrik, Ricklef und Levke Volkerts sprechen Friesisch, genauer das Föhrer Friesisch Fering. Das ist eine eigenständige Sprache, und Heike Volkerts ist so etwas wie die Botschafterin ihrer Muttersprache und setzt sich mit einer Radiosendung für deren Erhalt ein.

Im früheren Leben war die 56-Jährige Bankkauffrau, seit zehn Jahren ist sie Hörfunkjournalistin. Beim Friesenfunk ­„FriiskFunk“ der Ferring-Stiftung dreht sich alles um Fering. Viermal die Woche von acht bis zehn Uhr sitzen Heike Volkerts und ihre Kolleginnen in Alkersum im Studio am Mikrofon. Den FriiskFunk kann jeder über den Offenen Kanal Schleswig-Holstein hören. Finanziert wird der Sender von der Ferring-Stiftung, die sich für den Erhalt der Föhrer Kultur und Sprache einsetzt, vom Offenen Kanal und vom Friesenrat.

Nächster Verwandter des Friesischen ist das Englische

Mal spricht Heike Volkerts mit Buchautoren über Pixi-Bücher auf Fering, sie führt Interviews mit Föhrer Persönlichkeiten und zwischendurch spielt sie Musik ein, gibt Veranstaltungstipps, und sie produziert Beiträge von diversen Events auf Föhr im Wechsel mit ihren Kolleginnen Kerrin Ketels und Maike Arfsten-Jürgensen. Obwohl in Oldsum aufgewachsen, erfährt Heike Volkerts bei ihrer Arbeit doch auch Neues über ihre Insel: „Man lernt so viel Neues kennen und spricht mit so vielen Menschen, die sich in ihrem jeweiligen Gebiet gut auskennen. Das ist spannend.“ Freitags kommt die Sendung vom Festland aus Bredstedt.

Denn Friesisch ist nicht gleich Friesisch. Es gibt im Friesischen unterschiedliche Dialekte, wie Mooring (Festlandfriesisch). „Wir sprechen Friesisch“ heißt dann etwa „We snååke Frasch“, auf Föhr im Dialekt Fering lautet der gleiche Satz dann „Wi snaake Fering“, im Dialekt Öömrang auf Amrum „Wi snaake Öömrang“ und im Dialekt Sölring auf Sylt „Wü snaki Sölring.“ Hört man Friesisch, erinnert es ein klein wenig ans Englische. Tatsächlich ist das Friesische eine eigenständige, germanische Sprache, die zu dem sogenannten nordseegermanischen Sprachzweig gehört. Nächster Verwandter des Friesischen ist das Englische.

Auch mit den Kindern immer Fering gesprochen

Heike Volkerts ist mit der Sprache aufgewachsen. „Ich habe zu Hause Fering gesprochen und Hochdeutsch erst in der Schule gelernt.“ Für sie ist es ihre erste Muttersprache, erst dann kommt Hochdeutsch, und so hat sie mit ihren Kindern schon immer Fering gesprochen, während ihr Mann Jürgen, aufgewachsen in Nieblum, kein Fering spricht, nur Plattdeutsch. Dass ihre Muttersprache überlebt, ist ein Herzensprojekt von Frau Volkerts. „Eine Sprache überlebt nur, wenn sie auch im Alltag gesprochen wird.“ Und dafür setzt sie sich ein. Föhr, sagt sie, sei die Hochburg des Friesischen.

Mehr als ein Drittel der 8000 Föhrer beherrschen demnach die Sprache – wobei es schon auf Föhr wiederum verschiedene Dialekte gibt. Wer auf Föhr ist, begegnet Fering durchaus. Beim Kaufmann in Oldsum etwa oder bei einem Konzert der „Musikfreunde Föhr West“, und auch die Jüngeren sprechen die Sprache, so wie der Föhrer Musiker Mattis Brodersen, der Ed Sherans Hit „Shape Of You“ einfach ins Friesische übersetzt und daraus „Somer üüb Feer“ macht. Der Beweis, dass seine Muttersprache nicht veraltet, sondern lebendig ist. Auf Sylt sei das anders, sagt Heike Volkerts: „Dort wird viel weniger Sölring gesprochen.“ Warum? Weil es immer weniger Sylter gibt und immer mehr Zweitwohnungsbesitzer.

Ein Radiosender zur Erhalt einer Sprache

Heike Volkerts ist nicht die Einzige, die sich für den Erhalt des Friesischen engagiert. Im Kreis Nordfriesland hat der Friesischunterricht an einigen Schulen seit vielen Jahren Tradition. Da Friesisch nur regional im Kreis Nordfriesland und auf Helgoland gesprochen wird, ist Friesisch aber kein reguläres Unterrichtsfach. Für den Friesischunterricht sind entsprechende Schulbücher auf Festlandfriesisch, Fering, Öömrang und Sölring aufgelegt. Im vergangenen Jahr wurden neun Schulen als „Modellschulen Friesisch“ für ihren vorbildlichen Friesischunterricht und das große Engagement aller Beteiligten von der Landesregierung ausgezeichnet. An der „Eilun Feer Skuul“ in Wyk auf Föhr kann Friesisch sogar als freiwilliges mündliches Abiturprüfungsfach gewählt werden.

Das Land Schleswig-Holstein unternimmt eine Reihe von Anstrengungen, um das zurückgehende Interesse am Friesisch-Unterricht aufzuhalten und die Sprachenvielfalt zu fördern. So erhalten zum Beispiel junge Lehrkräfte eine Jobgarantie, die ein Lehramtsstudium mit Friesisch erfolgreich abschließen. „Die Sprachenvielfalt ist ein hohes Gut in Schleswig-Holstein. Sie ist eine unserer großen Stärken und ein wichtiger Teil unseres Heimatbegriffs“, sagt Karin Prien, Bildungsministerin von Schleswig-Holstein. „Unabdingbar für den Erhalt der Sprachenvielfalt ist jedoch, dass sie auch im Alltag gesprochen und erlebt wird.“

Heike Volkerts sorgt genau dafür mit voller Leidenschaft. Klar, dass sie mit ihren drei Enkeln im Alter von null bis fünf Jahren nur Friesisch spricht.