Bad Oldesloe. Der Arbeitsmarkt in Stormarn hat sich von den Folgen der Pandemie erholt. Doch es gibt ein neues Problem: Dendemografischen Wandel.
Der Tenor ist eindeutig: Der Arbeitsmarkt in Stormarn hat unter der Corona-Krise gelitten, sich aber im Laufe des Jahres 2021 gut erholt. „Mittlerweile ist er fast wieder auf dem Stand vor Corona“, sagte am Montag Kathleen Wieczorek, Chefin der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe. „Ich gehe auch davon aus, dass das stabil bleiben wird.“ Sorgen hingegen macht ihr der Fachkräftemangel, der den Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren prägen werde. Auch Digitalisierung und Klimaschutz werden laut Agenturchefin künftig eine Rolle auf dem Arbeitsmarkt spielen.
Mit fast 5500 Erwerbslosen zum Jahresbeginn 2021 hatte die Arbeitslosigkeit in Stormarn im Vergleich zu Zeiten vor der Pandemie noch auf einem hohen Niveau gelegen. „Doch seit März 2021 ist sie kontinuierlich gesunken“, sagt Wieczorek. Zum Jahresende waren es mit 4200 1300 Menschen oder 25 Prozent weniger. „Das ist eine Entwicklung, die ich in diesem Zeitraum beachtlich finde und die die wirtschaftliche Stärke im Kreis zeigt. Sicher haben auch die Kurzarbeit und die Hilfsprogramme dazu beigetragen“, so Wieczorek.
Kurzarbeit ist wirksames Instrument
Die Kurzarbeit bezeichnete die Agenturchefin als eines der wirksamsten Instrumente zur Sicherung von Arbeitsplätzen während der Pandemie. Im Vergleich zu 2020 haben Unternehmen es jedoch nicht mehr so oft in Anspruch nehmen müssen wie zu Beginn der Corona-Krise. Die Kurzarbeiterquote lag in Stormarn im Juni 2021 bei 3,4 Prozent und damit im landesweiten Vergleich im Mittelfeld. Das ist kein Vergleich mehr zum Höchstwert, der im Mai 2020 erreicht wurde: Damals lag die Quote bei 16,4 Prozent.
Die kreisweite Arbeitslosenquote blieb 2021 mit 3,6 Prozent für den Kreis Stormarn weiterhin die geringste in Schleswig-Holstein. Sie sank gegenüber 2020 um 0,2 Prozentpunkte. Im Jahr 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, lag sie bei 3,1 Prozent.
Gastronomie und Veranstaltungsbranche am stärksten getroffen
Von dem Rückgang der Arbeitslosigkeit 2021 haben fast alle Altersgruppen profitiert. „Am deutlichsten ist die Arbeitslosigkeit mit 19,2 Prozent bei den Arbeitsuchenden unter 25 Jahren gesunken“, sagt die Agenturchefin. „Ältere über 55 Jahre sowie langzeitarbeitslose Menschen hingegen hatten Schwierigkeiten, wieder eine berufliche Beschäftigung zu finden. Ihre Zahl war jeweils zum Vorjahreswert gestiegen, bei den Älteren um 5,1 Prozent und bei denen, die über ein Jahr ohne Beschäftigung waren, sogar um 27,5 Prozent.“ Nach wie vor bleiben die Gastronomie und die Veranstaltungsbranche am stärksten von der Pandemie betroffen.
Auch in Sachen Stellenangebote sei die Pandemie zu spüren gewesen. „Im ersten Quartal 2021 meldeten die Stormarner Unternehmen vor dem Hintergrund anhaltender Corona-Beschränkungen noch eher verhalten neue Stellen“, sagt Wieczorek. Doch das änderte sich mit Ende der Lockdown-Regelungen. 4400 neue sozialversicherungspflichtige Stellen sind der Agentur für Arbeits Bad Oldesloe für Stormarn im Laufe des Jahres gemeldet worden.
Babyboomer gehen nach und nach in Rente
Wichtig: „Unternehmen sind nicht verpflichtet, Stellen zu melden. Wir haben also keine hundertprozentige Transparenz“, so Wieczorek. Dennoch liegt der Wert sogar über dem im Vor-Corona-Jahr 2019 und damit auf einem neuen Höchstwert. Wieczorek: „Aus Sicht eines Arbeitssuchenden klingt das gut. Doch für die Unternehmen und auch für uns ist das ein Zeichen für den immer stärker werdenden Fachkräftemangel.“
Denn: Auch wenn die Arbeitslosigkeit spürbar zurückgegangen ist, bringt die Zukunft neue Herausforderungen, allen voran der Fachkräftemangel. „Es gibt kaum eine Branche, die nicht betroffen ist“, so Wieczorek. „Das Handwerk, die Gastronomie, das Gesundheitswesen, die öffentliche Verwaltung und viele mehr.“ Diese Liste könne fast endlos fortgesetzt werden. Angesichts der Erholung der Wirtschaft nach Corona werde das Thema noch relevanter.
Grund für den Fachkräftemangel ist unter anderem der demografische Wandel. „Die Babyboomer gehen nach und nach in Rente. Danach kommt keine Generation mehr, die so geburtenstark war“, sagt Wieczorek. Die Folge sind freie Stellen, die nicht besetzt werden können.
Jugendliche für Ausbildung begeistern
Was kann man dagegen tun? Ein wichtiges Instrument zur Fachkräftesicherung: „Wir müssen Jugendliche für die Ausbildung begeistern“, sagt Wieczorek. Denn: „Viele junge Menschen haben nach dem Abitur eher die Neigung zu studieren. Das hängt oft mit dem Ansehen von Studium und Ausbildung zusammen. Nicht selten machen Eltern oder Großeltern Druck von außen und wollen unbedingt, dass ihr Kind studiert.“ Das sei allerdings nicht immer die bessere Wahl.
„Die Annahme, dass Akademiker im Laufe ihres Lebens immer mehr Geld verdienen als Menschen ohne Studienabschluss, stimmt nicht“, sagt Wieczorek. Auch eine Ausbildung biete oft sehr gute Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten. „Ich möchte niemanden, der studieren möchte, davon abhalten“, betont die Agenturchefin. „Aber Berufe sollten nach Eignung und Neigung ausgewählt werden.“
Weiterhin werden laut Wieczorek Digitalisierung und der Klimaschutz den Arbeitsmarkt prägen. „Künstliche Intelligenz zum Beispiel ist da ein Thema“, sagt sie. Und: „Während vor einigen Jahren noch viele die Angst hatten, dass Digitalisierung ihnen die Arbeitsplätze nimmt, sehen viele heutzutage auch die Chancen. Technischer Wandel kann auch Arbeitsplätze schaffen.“ Außerdem werde auch der Klimaschutz neue Berufsfelder schaffen, so Kathleen Wieczoreks Prognose.