Hamburg. Ob Moorburg das Weltklima ruiniert, steht dahin. Das Koalitionsklima aber reizt das Kohlekraftwerk gewaltig.

Moorburg ist der älteste Stadtteil Hamburgs südlich der Elbe, einst idyllisch gelegen, es hat ein barockes Kirchlein, viele Künstler und Umweltschützer. Die meisten Hamburger aber setzen den Stadtteil mit dem Kohlekraftwerk gleich. Damit hat die umstrittenste Investition der vergangenen Jahrzehnte das ganze Dorf eingemeindet.

Um den jetzt wieder auflodernden Konflikt um das Kohlekraftwerk Moorburg zu verstehen, muss man ein wenig in die Geschichte eintauchen. Da gibt es so viele unaufgelöste Traumata, enttäuschte Hoffnungen und ungelöste Beziehungsprobleme, die Heerscharen von Psychiatern beschäftigen könnten.

Die Grünen haben eine besonders zerrüttete Beziehung zum Kohlekraftwerk von Vattenfall. 2008 – der CDU-Senat hatte im Jahr zuvor grünes Licht für den überdimensionierten Bau gegeben – zog die GAL für den Klimaschutz und gegen das Großkraftwerk sowie Bürgermeister „Kohle von Beust“ in den Wahlkampf. Blöd nur, dass danach die Grünen eine Koalition mit Kohle von Beust eingingen. So war es ausgerechnet die bemitleidenswerte Grünen-Politikerin Anja Hajduk, die als Umweltsenatorin das verhasste Kohlekraftwerk genehmigen musste. Das war juristisch sauber, aber für viele GALier ein Trauma. Ausgerechnet eine der ihren musste die „Drecksarbeit“ erledigen und eine „Dreckschleuder“ genehmigen. Vielleicht liegt es daran, dass so manche Grüne und Umweltschützer sich in das Kraftwerk geradezu verbissen haben.

Für sie ist Moorburg eben kein effizientes Kohlekraftwerk, mit dem man sich nach dem Atomausstieg arrangieren könnte, sondern ein Stör- und Sündenfall zugleich, ein Stachel im grünen Biofleisch. Und Vattenfall war ein dankbarer Gegner – die Schweden ließen nach der Übernahme der HEW kaum ein Fettnäpfchen aus. Dabei war es der rot-grüne Senat, der zwischen 1997 und 2001 die Mehrheit an den Hamburgischen Electricitäts-Werken an Vattenfall verkauft hatte.

So war Moorburg immer der Gegner. Zunächst sollte es möglichst teuer werden – was mit bizarren Auflagen klappte, etwa Teile des Kraftwerks mit Klinker zu verkleiden. Und möglichst ineffizient – was ebenfalls gelang. Die Auskoppelung der Fernwärme von Moorburg über die sogenannte Moorburgtrasse haben Grüne und Umweltschützer bis heute erfolgreich verhindert. Stattdessen muss Vattenfall die Abwärme aufwendig herunterkühlen.

Mit Fernwärme würde der Nutzungsgrad des Kraftwerks Moorburg von rund 45 Prozent auf bis zu 61 Prozent steigen. Und, jetzt wird es interessant, auch klimafreundlicher. Weil die Moorburgtrasse nicht gebaut wurde, musste das alte, ineffiziente Kohlekraftwerk in Wedel weiterlaufen – nach Angaben von Vattenfall werden damit jährlich eine Million Tonnen CO2 mehr emittiert.

In dem Streit geht es längst nicht mehr um ein Kohlekraftwerk, sondern um Kohle an sich. Mit der Frage nach der Rolle des Brennstoffs mögen die Grünen richtig liegen, in diesem Einzelfall aber falsch.

Jetzt, wo Olaf Scholz weg ist, soll Moorburg verschwinden. Der Streit schwelt seit Monaten, nun ist er eskaliert. Die Grünen wollen Fernwärme nur aus industrieller Abwärme, Müllverbrennung und Gas erzeugen. Setzen sie sich durch, werden die Preise steigen. Opposition und Vattenfall erwarten eine Kostenexplosion.

Das mag übertrieben sein, aber teurer wird es, das geben auch die Grünen zu. Sie kalkulieren mit Mehrkosten von zehn Prozent. Das erinnert ein bisschen an Jürgen Trittin, der einst versprach, die Förderung der erneuerbaren Energien koste einen Durchschnittshaushalt monatlich nicht mehr als eine Kugel Eis. Inzwischen ist es locker ein Eisbecher pro Woche.

Bei den Kosten wird es gefährlich. Der größte Fernwärme-Kunde in Hamburg ist die Saga; ihre Mieter etwa am Osdorfer Born werden steigende Kosten kaum fröhlich abnicken. Zudem wird der vertraglich fixierte Rückkauf des Fernwärmenetzes durch die Stadt ohne Moorburgtrasse ein schlechtes Geschäft. Das schwarz-grüne Koalitionsklima wurde durch die Moorburg-Debatte stets belastet; nun droht Rot-Grün das Gleiche. Moorburg haben die Grünen stets als Klimakiller bezeichnet. Für die Koalition könnten sie recht behalten.