Warum Peter Altmaier mit seiner Nationalen Industriestrategie 2030 ausnahmsweise richtig liegt.

Prügel musste Wirtschaftsminister Peter Altmaier diese Woche reichlich einstecken – für seine „Nationale Industriestrategie 2030“ erntete er Hohn und Spott: „Altmaiers Fokus auf die Industrie greift zu kurz“, mäkelte das „Handelsblatt“, und die „FAZ“ kritisiert staatliche Beteiligungen, wie Altmaier sie als letztes Mittel vorschlägt, als „keine gute Idee“. „Das Vorhaben kommt in die Nähe planwirtschaftlicher Hybris“, ätzte „Spiegel Online“. Ifo-Chef Clemens Fuest betonte, es sei falsch, Großunternehmen vor Übernahmen zu schützen. Und der Hamburger Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“, ärgerte sich, es sei nicht der Wettbewerb, der die Wirtschaft in die Knie gehen lasse, sondern die überbordenden Staatslasten und die Regulierung.

Zweifellos liegen die Kritiker in einzelnen Punkten nicht falsch, aber ihre Kritik an Peter Altmaier greift trotzdem zu kurz: Er ergreift Partei für die Indus­trie, was bei dieser wirtschaftsfernen Koalition schon ein Ausrufezeichen verdient. Er reagiert endlich auf die Herausforderung Chinas, das mit seiner Strategie „Made in China 2025“ eine Technologieführerschaft in vielen Branchen anstrebt, die noch als Kernkompetenzen der deutschen Volkswirtschaft gelten. Und der CDU-Politiker macht klar, dass nicht jede Übernahme im Interesse einer Volkswirtschaft liegt.

Das sollten gerade die Hamburger wissen. Denn was Altmaier unter Buhrufen und Pfiffen angeregt hat, ist in der Hansestadt in den vergangenen Jahrzehnten oftmals Grundlage der Politik gewesen. Anderenfalls gäbe es weder den größten Arbeitgeber der Hansestadt noch einen einzigen DAX-Konzern an der Elbe. Airbus, der Flugzeugbauer auf Finkenwerder mit seinen mehr als 12.600 Beschäftigten, ist eine europäische Erfolgsgeschichte. Das Projekt, das Franz Josef Strauß (CSU), Karl Schiller und Klaus von Dohnanyi (beide SPD) auf deutscher Seite vorangetrieben hatten, brachte die Hansestadt unter die Top drei der Luftfahrtstandorte.

Die Milliarden, die Europa als Anschubfinanzierung einzahlte, sind zurückgeflossen: In den vergangenen zehn Jahren machte Airbus rund 14 Milliarden Euro Gewinn, der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Hightech-Fertigung liegt beim Vielfachen. Oder erinnern wir uns an das Beispiel Beiersdorf: Der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) hatte 2003 fast im Alleingang verhindert, dass der heutige DAX-Konzern vom US-Konkurrenten Procter & Gamble geschluckt wurde. Als die Allianz AG ihre Beteiligung am Kosmetikkonzern verkaufen wollte, ließ Peiner über die städtische HGV zehn Prozent der Beiersdorf-Aktien kaufen, warf Procter & Gamble aus dem Rennen und bereitete einer Hamburger Lösung den Weg. Das war nicht die reine marktwirtschaftliche Lehre, am Ende aber ein Segen für den Standort: 3400 Beschäftigte gäbe es heute sonst nicht mehr in Eimsbüttel.

Ähnlich positiv muss man die Rettung von Hapag-Lloyd durch ein Hamburger Konsortium um Peiner und Klaus-Michael Kühne bewerten. 2008 beabsichtigte NOL aus Singapur die Übernahme der standortrelevanten Reederei, was der Einstieg der Stadt vereitelte. 2012 stimmten SPD und Linke sogar für eine Aufstockung der Anteile.

Auch wenn bei Übernahmen gern das Gegenteil versprochen wird – langfristig führt der Verlust von Firmenzentralen fast immer zu einem Verlust von Arbeitsplätzen, zu Steuereinbußen und zu einer Schwächung der wirtschaftlichen Substanz.

Es ist gut, wenn der Bundeswirtschaftsminister nun den „Hamburger Weg“ einschlagen will. Natürlich wäre eine Welt ohne staatliche Eingriffe schön, sie existiert aber leider nur in den Köpfen mancher Volkswirte. China mit seiner brachialen Mischung aus Staatskapitalismus und Wettbewerbsverzerrung ist ebenso Realität wie „America First“. Man sollte nicht in denselben Protektionismus verfallen, aber zumindest Haltelinien definieren.

Und zugleich deutlich machen, warum die Industrie eben immer noch das Rückgrat der Volkswirtschaft ist. Ihr schwindender Einfluss, der als Deindustrialisierung in den Köpfen längst begonnen hat – ist für eine Exportnation fatal. Wie sagte einst Hans-Olaf Henkel? Wir können nicht davon leben, uns gegenseitig die Haare zu schneiden.