Hamburg. Erneut wurde der Bahnverkehr im Norden eingestellt - wegen ein paar Schneeflocken. Die Menschen brauchen Verlässlichkeit.

Die Älteren unter uns dürften sich erinnern: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Und die Jüngeren können jetzt einmal raten: Wer steckt hinter einer der erfolgreichsten deutschen Werbekampagnen? „Alle reden vom Wetter. Wir nicht. Fahr lieber mit der Bundesbahn“ – lautete der kleine Zusatz. Wirklich. Die Bahn!

Zu sehen war auf den fast schon kultigen Plakaten eine Lok bei der Fahrt durch eine verschneite Winterlandschaft. Und heute? Da reicht stärkerer Wind und die Ankündigung von Schnee in der Mitte Deutschlands, um den Bahnverkehr im Norden gleich in großen Teilen einzustellen. Wohl­gemerkt: die Ankündigung, dass es anderenorts tags darauf und viele Kilometer entfernt dazu kommen könnte. Alle reden vom Wetter. Wir stellen den Betrieb ein. Schönen Sonnabend!

Verkehrswende setzt Verlässlichkeit voraus

Völlig unverständlich wird es, wenn die Bahnsprecherin zur besten Sendezeit in der „Tagesschau“ verkündet, man habe vorsorglich eine Kulanzregelung eingerichtet, sodass die Tickets „auch noch kommende Woche genutzt werden können“. Das ist doch mal generös.

Worüber neben dem Wetter noch alle reden: das ist der Klimawandel und die dringend notwendige Verkehrswende, wollen wir die Pariser Klimaziele endlich erreichen. Um diese Verkehrswende einzuleiten, braucht es im Fern- wie im Nahverkehr in erster Linie eines: Verlässlichkeit.

Bei Gefahr ist Einstellung des Bahnverkehrs entschuldbar

Wer sein Auto stehen lassen soll, sei es bei der täglichen Fahrt zur Arbeit oder beim Wochenendbesuch der allein lebenden Mutter, muss wissen, dass die S-Bahnen oder die Fernbahnen auch verlässlich fahren. Sonst verfangen die besten Argumente nicht.

Dort, wo eine extreme Wetterlage herrscht – wie am Sonntag in Teilen Thüringens, Niedersachsens oder Nordrhein-Westfalens – und Zugfahrten so zur Gefahr für Fahrgäste und Personal werden könnten, muss die Bahn den Betrieb vorübergehend einstellen. Aber das, was am Sonnabend im hohen Norden herrschte, nennen Meteorologen eher nicht Extremwetter, dafür nutzen sie einen anderen Begriff: Winter.