“Jedes Kind hat ein Recht auf echte Teilhabe“, sagt Laura Wulff. Aus diesem Grund hat sie Transdisziplinäre Frühförderung (B. A.) an der MSH Medical School Hamburg – University of Applied Sciences and Medical University studiert. Im Interview erklärt sie, wie das Studium aufgebaut ist, was Frühförderung überhaupt bedeutet und warum sie so wichtig ist. Außerdem gibt sie Tipps für diejenigen, die sich für ein Studium im Bereich Frühförderung interessieren. Eines sei vorweg gesagt: “Wer einzelnen Kindern helfen und gleichzeitig den Blickwinkel unserer Gesellschaft nachhaltig verändern möchte, wird hier ungeahnte Möglichkeiten entdecken.“
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Laura Wulff, Sie sind transdisziplinäre Frühförderin und haben 2020 Ihren Bachelor an der MSH abgeschlossen. Was ist Frühförderung genau und warum ist sie so wichtig?
Das ist eine gute Frage und ich habe einige Semester gebraucht, um diese Frage für mich zu beantworten. Denn Frühförderung ist vor allem eins: der Inbegriff von Individualität. Als kostenloses und freiwilliges Hilfsangebot richtet es sich an Familien, die sich Sorgen um die Entwicklung ihrer Kinder machen. Wir arbeiten einerseits mit dem Kind selbst und stärken es, sodass es aktiv mitgestalten kann, Freunde gewinnt, auf einen Geburtstag eingeladen wird, selbst deutlich machen kann, wann es auf die Toilette muss oder, dass es schlicht und ergreifend in seiner ganz individuellen Art als das wundervolle Wesen, das es ist, wahrgenommen wird und nicht länger als „Störfaktor“.
Nur ein Teil unserer Arbeit findet direkt mit dem Kind statt. Mit den Eltern, Kitas und allen weiteren Bezugspersonen, die das Leben des Kindes beeinflussen, arbeiten wir eng zusammen – wir beraten, stärken ihren Umgang mit dem Kind und spannen ein sicheres Netz um das Kind herum, welches es in seiner Individualität und mit seinen Bedürfnissen sieht und diese fördert. Und wenn das geschafft ist, dann ist es schon fast unwichtig, ob ein Kind Frühförderung bekommen hat, weil es eine physische oder psychische Behinderung hat, ob es emotional oder sozial in seiner Entwicklung verzögert ist oder ob es durch eine Frühgeburt gefährdet war. Wenn das Kind sichere Bindungen und ein stabiles Umfeld hat, sich selbst zu helfen weiß und einschätzen kann, wann es eine Unterstützung von außen benötigt, dann haben wir unsere Arbeit getan. Jedes Kind hat ein Recht auf echte Teilhabe.
Warum haben Sie sich für das Studium an der MSH entschieden?
Das Studium an der MSH befasst sich nicht einfach mit den bloßen Inhalten über die kindliche Entwicklung und wie ich diese fördern kann. Das Studium lehrt uns diese so wichtige Perspektive auf das Kind und sein Umfeld. Wir lernen dort, nicht auf das „Kaputte“ zu schauen, sondern auf den Menschen in seiner Gesamtheit und auf die Familie als flexibles, sich immer wandelndes System. Da es das Studium noch nicht so oft gibt, gibt es hier außerdem die Chance, die Lehre von bedeutenden Theoretiker:innen und Praktiker:innen aus dem Bereich der Frühförderung zu erleben und von Anfang an nicht nur einen Beruf zu erlernen, sondern sich von der Leidenschaft der Lehrenden anstecken zu lassen.
Können Sie beschreiben, wie das Studium Transdisziplinäre Frühförderung (B. A.) aufgebaut ist?
Das Studium ist gegliedert in sechs Semester. Es beinhaltet Module aus den Bereichen der Pädagogik, Psychologie, Medizin, den Therapieberufen Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie, wichtige haltungsgebende Module der Reflektion, Lehre über die Beratung der Eltern, über Inklusion und die Teilhabe der Kinder in ihrer Lebenswelt, Module zur Diagnostik und rechtlichen Grundlagen der Frühförderung sowie kreative Ansätze zur Arbeit mit den Kindern und ihren Familien. Das fünfte Semester ist ein Praxissemester, in welchem direkt in der Frühförderung gearbeitet wird.
Was hat Ihnen im Studium am besten gefallen?
Sowohl in Gesprächen mit den Dozent:innen als auch mit den Kommiliton:innen konnte ich meine Haltung entwickeln und dadurch neben den fachlichen Inhalten des Studiums mein „Ich“ als Fachkraft entwickeln. Außerdem ist das Studium durch die kleine Gruppengröße sehr zugänglich, flexibel und lässt Raum für Eigeninitiative. Dadurch war es uns möglich, Therapiemethoden selbst zu erproben, einen Blick in eine Klinik und ein sozialpädiatrisches Zentrum zu werfen und in einer Frühförderstelle in einen engen Austausch mit den Lehrenden zu treten. Was mir am besten gefallen hat? Ich bin nach meinem Abschluss in den Beruf gestartet – jung und ohne bisher eigene Kinder zu haben – und wurde von den Familien und Fachkräften dennoch problemlos angenommen, denn das Studium hat mich bestens auf die bevorstehenden Herausforderungen vorbereitet.
Auch Managementkompetenzen sind Teil des Bachelorstudiengangs. Ist dieses Wissen für Sie nun ebenso hilfreich wie die anderen im Studium erlangten Kenntnisse?
„Managementkompetenzen“ sind in der Frühförderung vielfältig zu verstehen. Ein weiterer wichtiger Teil der Arbeit der Frühförderung besteht nämlich in der Vernetzung mit anderen Hilfen, den finanzierenden Organen, den Ansprechpartner:innen der Familien und nicht zuletzt auch in der politischen und wirtschaftlichen Vertretung der Frühförderung. Denn es müssen immer wieder neue Verhandlungen mit den Leistungsträgern, beispielsweise den Ämtern, welche die Frühförderung bezahlen, geführt und die rechtlichen Grundlagen für die Frühförderung ausgebaut werden. Wenn ich mich für die Leitung einer Frühförderstelle interessiere, sind Managementkompetenzen naheliegend. Ich brauche sie aber auch, um die rechtlichen Hintergründe der Frühförderung verstehen zu können und durch Vernetzung die Frühförderung voranbringen zu können.
Was ist das Wichtigste, dass Sie für das Berufsleben aus dem Studium mitgenommen haben?
Ich bin voller Überzeugung in die Arbeit als Frühförderin gestartet und habe sie zu Pandemie-Zeiten als noch wichtiger kennengelernt, als ich es schon im Studium vermutet habe. Das Wichtigste, dass ich aus dem Studium mitgenommen habe, ist, dass wir alles in Wechselwirkung miteinander betrachten müssen. Zum Beispiel wirkt sich die Arbeit in der Frühförderung genauso auf uns aus und wir müssen durch Gespräche mit Kolleg:innen, den Austausch mit Fachkräften, Supervisionen und privaten Ausgleich stets unsere eigenen Möglichkeiten, Ressourcen und Grenzen im Blick behalten. Wir begleiten Familien teils jahrelang auf eine intensive Art, welche uns oftmals zu einem wichtigen Bestandteil des Familiensystems werden lässt. Dabei dürfen wir nicht unser Ziel aus dem Blick verlieren – die Familie von uns unabhängig zu machen. Wenn die Familie uns nicht mehr braucht, dann haben wir eine gute Arbeit geleistet.
Für welche fachlichen Bereiche wären Sie nun außerdem qualifiziert?
Da die Frühförderung bereits ein spezialisierter Fachbereich ist, ist es schwer, sie in einen anderen Bereich zu „pressen“. Vorstellbar wäre eine Arbeit bei anderen Netzwerkteilnehmenden aus dem Umfeld des Kindes – zum Beispiel als Heilpädagogin in einer Integrations-Kita oder in Projekten aus dem Bereich der kindlichen Entwicklung, Familienzentren o. Ä. Durch verschiedene Master kann außerdem eine Qualifizierung in Richtung der sozialen Arbeit stattfinden, wodurch sich weitere Möglichkeiten eröffnen.
Welche Eigenschaften sollte ich mitbringen, wenn ich mich für ein Studium im Bereich Frühförderung interessiere?
Ich sollte empathisch, offen und tolerant sein. In unserer Arbeit geht es nicht darum, von jedem gemocht zu werden, aber wir gehen verschiedenste Bindungen und Beziehungen ein, welche der Grundbaustein einer erfolgreichen Förderung sind. Ansonsten ist eine Portion kindlicher Enthusiasmus und Verspieltheit sicher nicht verkehrt, denn die meiste Zeit verbringen wir mit dem fördernden Spiel. Da Kindern nun einmal durchs Spiel lernen, verpacken wir all unsere Förderziele und den darauf ausgerichteten Input in gemeinsame Spielsituationen.
Noch eine Frage zum Schluss: Welchen Tipp oder Rat würden sie Studierenden, die den Studiengang Transdisziplinäre Frühförderung (B. A.) beginnen, mit auf den Weg geben?
Zu verstehen, was Frühförderung wirklich ist, dauert eine ganze Weile. Manche Module erschließen sich vielleicht nicht direkt von Anfang an und es braucht Vertrauen, dass sie für den Beruf wichtig sind und sich der Nebel irgendwann lichtet. Mein Tipp: Lasst euch darauf ein. Und lasst euch von der Leidenschaft für den Beruf anstecken. Wer einzelnen Kindern helfen und gleichzeitig den Blickwinkel unserer Gesellschaft nachhaltig verändern möchte, wird hier ungeahnte Möglichkeiten entdecken.
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