Kiel. Der Schuldenberg von Städten und Gemeinden im Norden steigt. Kreisverwaltungen bauen dagegen Schulden ab. Die FDP will deshalb den kommunalen Finanzausgleich neu bewerten. Die SPD verlangt mehr Hilfen für Kommunen und mehr Investitionen für Kinder und Jugendliche.
Die Entwicklung der Schulden auf kommunaler Ebene in Schleswig-Holstein löst politische Forderungen auf Landesebene aus. Die Landtagsfraktionen von SPD und FDP reagierten am Donnerstag auf einen Bericht des Statistikamtes Nord. Demnach haben die Kommunen im Land ihre Schulden bei Kreditinstituten im Corona-Jahr 2020 um 2,6 Prozent auf 3,77 Milliarden Euro erhöht. Dabei wuchsen die Schulden der kreisangehörigen Gemeinden (2,22 Milliarden) und der Amtsverwaltungen (176 Millionen) um 8,5 und 10,2 Prozent. Die kreisfreien Städte (1,13 Milliarden) und die Kreisverwaltungen (241 Millionen) bauten dagegen ihren Schuldenstand um 5,3 und 11,2 Prozent ab.
Beim Blick auf alle Verwaltungsebenen verbuchte unter den Kreisen Stormarn mit seinen Gemeinden, Städten und Ämtern mit 19,2 Prozent den stärksten Schuldenzuwachs. Die Kreisverwaltung selbst blieb Ende 2020 die einzige im Land, die keine Schulden hatte. Nur in Herzogtum Lauenburg und Rendsburg-Eckernförde sank die kommunale Verschuldung.
Die Lage werde sich im laufenden Jahr voraussichtlich insgesamt noch verschlechtern, sagte der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Kai Dolgner. Hinzu komme noch, dass die kommunalen Krankenhäuser nicht wie versprochen alle Corona-Kosten kompensiert bekämen. "Gleichzeitig hat Corona offensichtlich gemacht, dass wir einen großen Nachholbedarf in der kommunalen Infrastruktur bei Kitas und Schulen haben." Dolgner bezog sich unter anderem auf sanitäre Anlagen in Schulen und Kitas sowie auf Luftfilter.
"Da es nicht absehbar ist, ob Kinder unter zwölf Jahren überhaupt jemals geimpft werden können, muss es jetzt dringend ein Investitionsprogramm in den Schulen geben, um entsprechende Luftreinigungsanlagen zu installieren." Das sei auch wichtig, um die Ausbreitung anderer gefährlicher Viren zu bekämpfen. Außerdem müssten die sozialen Folgen der Corona-Krise für Kinder und Jugendliche mit mehr Mitteln abgefedert werden. "Die Kommunen werden das finanziell alleine nicht schaffen können." Dolgner kritisierte, dass die Union im Bund den von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) geplanten kommunalen Altschuldentilgungsfonds aus taktischen Erwägungen verhindert habe. Jamaika müsse die Kommunen beim nächsten Haushalt in die Lage versetzen, Investitionen für Kinder und Jugendliche zu finanzieren.
Die FDP-Finanzpolitikerin Annabell Krämer hielt dem Schuldenaufbau bei Städten und Gemeinden das Schuldenminus bei den Kreisen entgegen. Sie bekräftigte die Forderung nach einer stärkeren Verteilung der Mittel zugunsten der Städte und Gemeinden. "Denn die Last der Kosten für die Infrastruktur von Kitas, Schulen und Straßen müssen überwiegend die Städte und Gemeinden und nicht die Kreise stemmen." Die FDP strebt Krämer zufolge in der nächsten Wahlperiode eine vorgezogene Neubewertung des kommunalen Finanzausgleichs an. "Wir gehen davon aus, dass jetzt auch unsere politischen Mitbewerber offen dafür sind, möglichst zügig die Infrastrukturmittel im kommunalen Finanzausgleich anders zu verteilen."
Auf jeden Einwohner Schleswig-Holsteins entfielen dem Statistikamt zufolge Ende 2020 rein rechnerisch 1297 Euro der kommunalen Schulden. Bei den kreisfreien Städten war der Wert für Kiel und Lübeck mit jeweils 2100 Euro am höchsten. Von den 1106 Gemeinden im Land hatten 329 keine Schulden bei Kreditinstituten. Das waren 21 weniger als Ende 2019. Bei den schuldenfreien Gemeinden handelte es sich überwiegend um kleine amtsangehörige Kommunen. Aber auch Bad Oldesloe, Bad Schwartau und Bargteheide mit jeweils mehr als 10.000 Einwohnern blieben schuldenfrei.
© dpa-infocom, dpa:210805-99-720675/3