Hamburg. Der ungewöhnliche Pakt zwischen SPD, Grünen, CDU und FDP nützt den Hamburger Schülern.
Dass sich die Spitzen von SPD, Grünen, CDU und FDP in Hamburg wenige Monate vor der Bürgerschaftswahl auf eine Verlängerung des Schulfriedens geeinigt haben, grenzt an ein kleines politisches Wunder. Hier haben vor allem die Oppositionsparteien CDU und FDP die gedeihliche Fortentwicklung der Schulen zum Wohle der Schülerinnen und Schüler über den möglichen Geländegewinn im Wahlkampf gestellt. Das ist alles andere als selbstverständlich und daher ausdrücklich zu loben.
Immerhin verzichten Christdemokraten und Liberale auf eine politische Auseinandersetzung über einen wesentlichen Teil der häufig emotional diskutierten Schulpolitik: die Schulstruktur, die nun fünf weitere Jahre nicht angetastet werden soll. Dabei hat die schleswig-holsteinische CDU gezeigt, dass man mit der Rückkehr zu G 9 am Gymnasium – also einer Änderung der Schulstruktur – Wahlen gewinnen kann.
Zwar hat die CDU-Basis noch das letzte Wort beim Schulfrieden, aber der designierte Unions-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl, Marcus Weinberg, hat sich klar gegen die Rückkehr zu G 9 festgelegt. Stellt sich die Basis in dieser zentralen Frage dennoch gegen Weinberg und votiert für das Vorgehen der Parteifreunde im Norden, kann sie sich im Grunde gleich einen neuen Spitzenkandidaten suchen. Mit anderen Worten: Dann würde die ohnehin nicht sehr aussichtsreiche Ausgangslage der CDU ins Aussichtslose übergehen. Und mit wem wollte die Union dann G 9 eigentlich durchsetzen?
Möglich geworden ist diese Einigung über den Schulfrieden, weil Rot-Grün ungewöhnlich entgegenkommend war. Während die Senatsfraktionen sonst Anträge der Opposition zur Schulpolitik in der Bürgerschaft reihenweise abschmettern, schien in den Verhandlungen manchmal das Prinzip zu gelten: Darf es noch etwas mehr sein? Die Entlastung der Lehrer von Verwaltungsaufgaben, die Überarbeitung der Bildungspläne oder die Wiedereinführung des Sitzenbleibens – was im Parlament von Rot-Grün stets niedergestimmt wurde, hat die Opposition nun durchgesetzt.
Dabei hatten SPD und Grüne auch manche überfällige Entscheidung aufgeschoben, um sie dann scheinbar großzügig als Kompromissmasse einzubringen: Dazu zählt zum Beispiel die finanzielle Gleichstellung der Grund- und Stadtteilschullehrer mit den Gymnasiallehrern. Die Interessenlage ist klar: SPD und Grünen ist an keiner Debatte über die Rückkehr zu G 9 im Wahlkampf gelegen.
Nutznießer sind ohne Frage die Schulen, sind Eltern, Schüler und Lehrer. Auch wenn gelegentlich das Gegenteil behauptet und der Schulfrieden mit Friedhofsruhe in Verbindung gebracht wird – dieser Pakt ist ein Erfolgsmodell. Die Hoffnung, dass sich die Lehrer auf ihre Kernkompetenz, den Unterricht, konzentrieren können, wenn end- und fruchtlose Strukturdebatten von ihnen ferngehalten werden, ist aufgegangen. Das heißt im Übrigen nicht, dass es an den Schulen keine Probleme mehr gebe.
Aber: Dass die Schüler vom Schulfrieden profitiert haben, lässt sich sogar beweisen. Hamburg hat sich in den vergangenen Jahren bei Schülerleistungstests nach vorn gearbeitet und die rote Laterne abgegeben. Die Verlängerung ist auch deswegen richtig, weil die Schulen vor großen Herausforderungen stehen. Der enorme Schülerzuwachs und die erforderlichen Neu- und Erweiterungsbauten sind die Stichworte dazu.
Schließlich: Das Vertrauen der Bürger, also Wähler, in die Fähigkeit der Politik, Probleme zu lösen, wird gestärkt, wenn Parteien die Fähigkeit zum Kompromiss über die eigene Profilierung stellen. Der Schulfrieden liefert dafür ein nachahmenswertes Beispiel.