Hamburg. Für die Union entscheidet sich die Zukunft des Landes offenbar an der Frage, ob Olaf Scholz eine Koalition mit den Linken ausschließt.
Was sind noch mal die wichtigsten Themen des Wahlkampfes? Der Klimawandel? Die Corona-Pandemie? Soziale Gerechtigkeit? Nein, das scheint alles keine Rolle zu spielen, zumindest nicht, wenn man in diesen Tagen den Spitzenpolitikern von CDU und CSU zuhört. Für Armin Laschet, Markus Söder, Jens Spahn und Ralph Brinkhaus, um nur einige zu nennen, entscheidet sich die Zukunft unseres Landes offenbar vor allem an der Frage, ob SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz eine Koalition mit den Linken ausschließt.
Selten haben Unions-Politiker so viel über einen Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten gesprochen (und damit nicht über den eigenen), selten wirkten sie dabei so aufgeregt und verzweifelt zugleich. Und als Beobachter stellt man sich viele Fragen: Ist das alles, was der Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel einfällt, wenn sie zum ersten Mal seit Jahren in Umfragen hinter die SPD auf Rang zwei in der Gunst der Wähler fällt?
Glaubt man wirklich, dass man Armin Laschet dadurch stark macht, dass man immer und immer wieder über Olaf Scholz redet? Und was wäre eigentlich, wenn der tatsächlich ganz direkt – indirekt hat er es in den vergangenen Tagen mehrfach getan – ein Bündnis mit den Linken ausschließen würde? Hätte die CDU/CSU dann nichts mehr dagegen, dass er der nächste Kanzler wird?
Ein endgültiges Nein von Scholz zu den Linken würde vor allem Christian Lindner nutzen
Auf jeden Fall hätte die Union ihr wichtigstes Argument nicht mehr. Ein Argument, das allein deshalb schon nicht zieht, weil der Kanzlerkandidat der SPD eben Olaf Scholz ist. Also der Mann, dem Jens Spahn im Abendblatt-Gespräch vorwarf, „das Feigenblatt zu sein, hinter dem sich die SPD versteckt“, und der tatsächlich das Gegenteil von einem linken Sozialdemokraten ist.
Scholz ist in erster Linie ein erfahrener, um nicht zu sagen: gewiefter Politiker, und als solcher weiß er, dass man sich mögliche Koalitionsverhandlungen nach einer Wahl nicht durch erzwungene Zusagen vor der Wahl erschwert. Das wäre so, als wenn jemand, der ein Auto verkaufen will und dafür die Interessenten A und B hat, von vornherein ausschließen würde, dass B den Wagen bekommt … Gut für A, aber auf keinen Fall für die Summe, die der Verkäufer erzielen kann.
Soll heißen: Ein endgültiges Nein von Scholz zu den Linken würde vor allem Christian Lindner nutzen, der den Preis einer möglichen Ampel-Koalition hochtreiben könnte. Und, nur mal nebenbei: Hatten vor der Wahl vor vier Jahren nicht sowohl CDU/CSU als auch SPD eine Wiederauflage einer großen Koalition so gut wie ausgeschlossen? Und wer regiert seitdem? Eben.
Erreicht die Union mit ihrer Kampagne das Gegenteil?
Es ist vernünftig, erst einmal abzuwarten, wie die Wählerinnen und Wähler sich tatsächlich entscheiden – zumal es jetzt ja nur noch um weniger als drei Wochen geht –, und dann Gespräche mit denen zu beginnen, mit denen man sich am ehesten eine Koalition vorstellen kann.
Olaf Scholz wird sich, so viel kann man jetzt schon sagen, zuerst mit den Grünen und dann mit der FDP treffen. Und danach wäre übrigens auch eine erneute Runde mit den Unions-Parteien denkbar. Oder will Armin Laschet das, also eine Große Koalition unter Führung der SPD, zu diesem Zeitpunkt sicherheitshalber lieber selbst ausschließen?
Bleibt die Frage, ob die Union mit ihrer Kampagne nicht das Gegenteil von dem erreicht, was sie erreichen will. Denn: Wer nicht möchte, dass die Linken in die Bundesregierung kommen, aber gern Olaf Scholz als Kanzler hätte – und das will aktuell die Mehrheit der Deutschen –, wird vielleicht eher die SPD (oder die Grünen) wählen als Armin Laschet und die CDU/CSU.