Der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg soll CDU-Spitzenkandidat werden

Zugegeben, der Name des CDU-Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg fällt einem nicht sofort ein, wenn man sich einmal den Kopf der Hamburger Union zerbricht, wer denn nun das undankbare Amt des Spitzenkandidaten bei der Bürgerschaftswahl 2020 übernehmen soll. Dafür hat sich Weinberg zu sehr als Familienpolitiker auf Bundesebene profiliert, der sich leidenschaftlich mit dem Koalitionspartner SPD auch über kleine Drehungen an den Stellschrauben der Familien- und Jugendpolitik streiten kann.

Zu sehr hat sich Weinberg auch, so meinungsfreudig er ist, jedenfalls mit öffentlichen Äußerungen zu den aktuellen Kalamitäten der hiesigen CDU zurückgehalten. Das könnte nun durchaus von Vorteil für ihn sein. Die Zeit drängt, und die Liste der Kandidaten und Kandidatinnen, die die Partei, deren Buchwert bei Umfragen gerade einmal 14 Prozent erreicht, in die Wahl führen wollen, wird nicht länger. Sehr zurückhaltend ausgedrückt.

Dass die Führungsspitze der Elb-Union, zu der Weinberg ja selbst auch zählt, nun in Sachen Spitzenkandidatur auf ihn blickt, kann bei näherer Betrachtung nicht wirklich überraschen. Der Lehrer für Politik und Sozialwissenschaften zählt zu den politisch ­erfahrensten Hamburger Christdemokraten. Er sitzt seit 14 Jahren im Bundestag, war vier Jahre lang CDU-Landesvorsitzender und kennt die Partei daher sehr genau. Allerdings trägt er die Mitverantwortung für die schlimmste aller Niederlagen der CDU – die 15,9 Prozent bei der Bürgerschaftswahl 2015. Weinberg trat damals als Parteichef sofort zurück. Andererseits kann die Union mit dem politischen Profil eines Marcus Weinberg ihr strategisches Dilemma wenn nicht lösen, so doch zumindest einer Lösung ernsthaft näherbringen. Eine wesentliche Ursache für das Wahldebakel 2015 war die fehlende Machtoption der Union. Die damals noch sehr starke Scholz-SPD hatte sich auf die Grünen als Regierungspartner festgelegt, falls es zur Fortsetzung der Alleinregierung nicht reichen würde. Und die Grünen waren bekanntlich nicht abgeneigt. Die Chance auf eine Regierungsbeteiligung bestand für die CDU nicht ernsthaft. Warum sollten die Wähler also ihre Kreuze bei der Union machen?

In diese verzweifelte Lage wollen CDU-Landeschef Roland Heintze, Fraktionschef André Trepoll und ihre Mitstreiter nicht ein zweites Mal kommen. Der oder die Nummer eins auf der CDU-Liste zur Wahl muss Anschlussfähigkeit beweisen, wie es jetzt gern heißt. Er oder sie muss mit dem politischen Profil ein akzeptierter Gesprächspartner für die Grünen, für die FDP und am besten gleich auch für die SPD sein. Auch eine „große“ Koalition im Rathaus, lange undenkbar, sollte aus Sicht der CDU zu den Optionen gehören. So viel Realitätssinn muss angesichts der Ausgangslage schon sein.

Weinberg kann das Kunststück des Brückenschlagens gelingen. Er war ein entschiedener Anhänger des schwarz-grünen Bündnisses unter Bürgermeister Ole von Beust von 2008 bis 2010. Er hat damals immer wieder und aus Überzeugung den Kopf für die grüne Idee des längeren gemeinsamen Lernens hingehalten – im Unterschied zu den meisten anderen Spitzenkräften der CDU. Das hat ihm Vertrauen auf grüner Seite eingebracht.

Was die CDU jetzt dringend braucht, ist ein Signal des Aufbruchs, damit der Glaube an ein Wiedererstarken wachsen kann. Dass das alles andere als leicht sein wird und die Fallhöhe immens ist, weiß auch Weinberg. Deswegen wird er sich genau überlegen, diesen Schritt zu gehen.