Ahrensburg. Viele Vereine in Stormarn suchen Menschen, die sich engagieren. Einige müssen bereits Veranstaltungen streichen. Jüngere fehlen.

„Wir suchen“ steht auf einem leuchtend gelben Zettel, der an einem Aufsteller im Peter-Rantzau-Haus in Ahrensburg hängt. Darunter sind zahlreiche Suchanzeigen für Ehrenamtler angepinnt. Der SSC Hagen Ahrensburg zum Beispiel benötigt Fußballschiedsrichter, Übungsleiter und Schwimmtrainer, das Peter-Rantzau-Haus Helfer für Veranstaltungen wie Grillabende, Ü-60-Disco und Jazzfrühstück, der Freundeskreis für Flüchtlinge einen Beisitzer im Vorstand und der Seniorenbeirat Mitglieder für die Wahl im kommenden Jahr. „Die Suche nach Ehrenamtlern beschäftigt viele Vereine“, sagt Regine Kersting vom Projektbüro Engagierte Stadt Ahrensburg. Das Netzwerk hat das Ehrenamt und die „Herausforderung Generationswandel“ deshalb zu seinem Jahresthema gemacht.

Viele Menschen haben keine Zeit fürs Ehrenamt

„Die meisten Menschen wollen sich nicht mehr langfristig binden. Und sie suchen sich schneller etwas Neues, wenn ihnen irgendetwas nicht passt“, sagt Susanne Freese, Peter-Rantzau-Haus.
„Die meisten Menschen wollen sich nicht mehr langfristig binden. Und sie suchen sich schneller etwas Neues, wenn ihnen irgendetwas nicht passt“, sagt Susanne Freese, Peter-Rantzau-Haus. © Unbekannt | Janina Dietrich


Die Gesellschaft habe sich in den vergangenen 30 Jahren massiv verändert, sagt Christian Kröning, Vorstandsmitglied der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Ahrensburg. Sie ist Träger des Projekts Engagierte Stadt, das von der Bundesregierung gefördert wird. „Ein Engagement im Ehrenamt ist heute einer anderen Konkurrenz ausgesetzt als früher, zum Beispiel durch die zahlreichen Freizeitangebote.“ Zudem seien viele Menschen ich-bezogener. Das Projektbüro wolle mit verschiedenen Veranstaltungen und Seminaren dazu beitragen, mehr Lust aufs Ehrenamt zu wecken und Vereine bei der schwierigen Suche nach Freiwilligen zu unterstützen. Kröning sagt: „Die Stadt Ahrensburg würde es sehr stark merken, wenn keine Ehrenamtler mehr da wären.“

Insbesondere die Generation der 25- bis 45-Jährigen engagiere sich kaum ehrenamtlich. „Häufig sind beide Partner berufstätig, wenn dann noch Kinder vorhanden sind, bleibt keine Zeit mehr fürs Ehrenamt“, sagt der Awo-Vorsitzende Jürgen Eckert. „Oder diese Menschen engagieren sich für den Kindergarten oder den Schulverein, aber das war’s dann.“ Jüngere ließen sich ungern in ein festgelegtes Projekt pressen, so Kröning. „Sie wollen selbst etwas gestalten und entwickeln.“ Diesen Freiraum müssten die Vereine ihnen geben.

Hospizverein wünscht sich mehr männliche Helfer

Auch die Art des ehrenamtlichen Engagements habe sich verändert. „Die meisten Menschen wollen sich nicht mehr langfristig binden“, sagt Susanne Freese von der Leitstelle „Älter werden“ im Peter-Rantzau-Haus. „Und sie suchen sich schneller etwas Neues, wenn ihnen irgendetwas nicht passt.“ Im Peter-Rantzau-Haus gebe es eine Reihe von Ehrenamtlern, die den Winter außerhalb Ahrensburgs im wärmeren Süden verbringen. „Das müssen wir alles einplanen“, sagt Freese. „Flexibilität ist gefordert.“ Diese Beobachtung hat auch Christian Kröning gemacht. „Die Menschen wollen ein bestimmtes Zeitbudget zur Verfügung stellen und erwarten, dass der Erfolg eines Projektes schnell sichtbar wird.“ So seien zum Beispiel während der Flüchtlingskrise 2015 viele Menschen „mit großer Power“ dabei gewesen, die Neu-Ahrensburger zu unterstützen. „Aber das war ein kurzfristiges Engagement von zwei bis drei Monaten“, sagt der 66-Jährige. „Ein Erfolg ist es, wenn sich jemand zehn Jahre im Vorstand eines Vereins engagiert.“ Denn diese Posten, die Verantwortung bedeuten, sind laut Jürgen Eckert schwierig langfristig zu besetzen.

Diese Erfahrungen hat auch der Hospizverein Ahrensburg gemacht. Mehr als 50 Ehrenamtler engagieren sich dort, die meisten als Sterbe- oder Trauerbegleiter. „Es ist schwierig, Menschen zu finden, die Vorstandsposten übernehmen und Verantwortung tragen wollen“, sagt Vereinsmitglied Katja Balkenhol. Der überwiegende Teil der Ehrenamtler sei über 50 Jahre alt, zudem seien nur sechs oder sieben Männer darunter. „Unser Ziel ist es, jüngere Menschen unter 30 Jahren und mehr Männer zu gewinnen.“ Das Problem: Für Jüngere sei das Thema Sterben oft weit weg. Und Männer schrecke vielleicht die eher passive Tätigkeit ab, sagt Balkenhol. „Der Schwerpunkt unserer Arbeit ist es, einfach nur da zu sein und zuzuhören.“

Vor allem junge Mitstreiter fehlen

In anderen Orten Stormarns stehen Vereine vor ähnlichen Problemen. Der Ortsverein Großhansdorf des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sucht beispielsweise „dringend neue ehrenamtliche Helfer für unsere Sozialarbeit“, wie Büromitarbeiterin Birgit Käfer sagt. „Da mehrere Helfer aus Altersgründen aufgehört haben, können einige Aktivitäten nur noch eingeschränkt angeboten werden.“ Dazu zähle zum Beispiel das Sonntagsessen, das der Ortsverein früher einmal monatlich angeboten hat. „Wir hatten immer 15 bis 20 Besucher“, sagt Käfer. Doch nun fehle unter anderem ein Ehrenamtler, der das Kochen übernehme. Das DRK zählt in Großhansdorf etwa 105 Helfer. „Die Zahl ist zwar noch relativ hoch, aber viele sind bereits um die 80 Jahre alt und deshalb körperlich nicht mehr so belastbar“, sagt die Vorstandsvorsitzende Christa Hoop. Für Tätigkeiten wie die Organisation des großen Herbstbasars seien aber Menschen notwendig, „die schwere Kisten schleppen können“, sagt Hoop. Auch Vorstandsposten zu besetzen, sei schwierig. Zuletzt habe das Rote Kreuz ein Jahr lang einen neuen Schatzmeister gesucht.

Der Seniorenbeirat in Bargteheide schafft es in der neuen Amtszeit zum ersten Mal in drei Jahrzehnten nicht, seine Sollstärke von sieben Mitgliedern zu erreichen. Es meldeten sich nur fünf Personen. Vor allem jüngere Mitstreiter in den 60er-Jahren fehlen. Die vom Beirat organisierten Veranstaltungen werden zwar gern genutzt. „Aber kaum jemand will sich selbst in die Pflicht nehmen lassen“, sagt der Vorsitzende Reiner Ottersbach (80). Und weiter: „Festlegen mag sich niemand mehr, schon gar nicht für eine Wahlperiode von vier Jahren.“

Die Awo in Ahrensburg will nun ein Konzept entwickeln. Kröning sagt: „Es geht um die Frage: Wie gehen wir vor, wenn wir Menschen für bestimmte Tätigkeiten gewinnen wollen?“

Eine Million Bürger engagieren sich


43 Prozent der Schleswig-Holsteiner engagieren sich nach Angaben der Landesregierung ehrenamtlich. Das sind landesweit etwa eine Million Bürger. Auch im Kreis Stormarn gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich einzubringen, etwa bei Sportvereinen, bei sozialen Diensten, Freiwilligen Feuerwehren, Parteien oder Wählergemeinschaften. Die größte Stiftung Stormarns und die kapitalstärkste des Landes ist die Bürger-Stiftung Stormarn, zu der 36 Stiftungsfonds gehören. 275 Ehrenamtler sind darin aktiv. Wer sie unterstützen möchte, erreicht die Geschäftsführung per E-Mail unter info@buerger-stiftung-stormarn.de oder telefonisch unter 04537/707 00 13.