Viele Hamburger sind schon zufrieden, wenn die Post überhaupt täglich kommt. Dabei verdient das Unternehmen gut – besonders der Chef.

Früher hat man sich über die Deutsche Bundespost mit Verve lustig gemacht – das altertümliche Posthorn galt als perfektes Logo für eine Institution, die lange der Vergangenheit verhaftet schien. Auf den Ämtern warteten die Kunden gefühlte Ewigkeiten. In Karikaturen wuchsen den Postbeamten gar Spinnenweben unter den Achseln, der Stempel war für Jahrzehnte die letzte Innovation, und das Briefwesen galt als so verstaubt wie langsam.

Dann kam die Privatisierung. Bislang galt sie als Meisterleistung. Der alte, defizitäre Brief-Konzern hat sich in ein profitables Weltunternehmen verwandelt. Es gibt nicht so viele so beeindruckende Erfolgsgeschichten in der deutschen Wirtschaft. Und doch: Seit dieser Woche sehne ich mich erstmals in die gute alte Zeit zurück: Da erreichte uns die letzte Weihnachtskarte – oder muss es „vorerst letzte Weihnachtskarte“ heißen? Abgestempelt wurde sie am 21. Dezember 2018 in Köln. Weil eine Ziffer der Postleitzahl falsch war, schaffte die Post nur noch acht Kilometer pro Tag.

Viele Hamburger sind schon zufrieden, wenn die Post überhaupt kommt

Im Büro wiederum erreichte uns ein Brief mit einer Einladung mehrere Wochen nach der Veranstaltung – dabei legte der Brief aus Bönningstedt bis in die City 200 Meter am Tag zurück, eine Weinbergschnecke schafft mit 72 Metern fast das gleiche Tempo. Aber was beschwere ich mich? Viele Hamburger sind schon zufrieden, wenn die Post überhaupt täglich eintrifft.

Bei manchen funktioniert dieser Service nur noch zwei- bis dreimal wöchentlich, je nach Briefaufkommen. Mein freitags erscheinendes Magazin beispielsweise landet gerne erst am Dienstag im Kasten. Da können sich die Kollegen noch so sputen, aktuelle Geschichten ins Blatt zu bringen – die Deutsche Post bremst sie garantiert aus.

Vom Versuch, sich bei der Deutschen Post zu beschweren

Also habe ich mir den Spaß gemacht, mich zu beschweren. Was allerdings nicht ganz so einfach ist: Die Beschwerdeadresse auf der Seite der Deutschen Post findet sich noch schwerer als der nächste Briefkasten. Der erste Kontaktversuch mit der „Servicestelle Brief“ scheitert nach einer Woche: „Leider sind wir für Ihr Anliegen der falsche Ansprechpartner“, heißt es in der E-Mail, und verwiesen wird – tata! – auf die undurchdringliche Website. So macht man wenig wütende Kunden rasch mürbe.

Ich war aber ziemlich wütend – und habe den Verbraucherservice Post der Bundesnetzagentur eingeschaltet. Sie überwacht, dass in Deutschland „die gesetzlichen Vorgaben zur postalischen Grundversorgung und die festgelegten Qualitätskriterien eingehalten“ werden.

Viel zu tun bei der Bundesnetzagentur: Nach 25 Tagen eine E-Mail

Offenbar hat die Bundesnetzagentur gut zu tun: Nach 25 Tagen kam die E-Mail: „Ihre Eingabe wurde an den Verbraucherservice Post der Bundesnetzagentur übermittelt. Beschwerden über Mängel bei der Postbeförderung stellen daher für die Bundesnetzagentur eine wichtige Erkenntnisquelle für anhaltende und strukturelle Probleme dar.“

Die Konzernleitung schrieb einen freundlichen Brief und verwies auf „ungewöhnlich hohe Sendungsmengen“. Und auch mein Postbote klingelte bei mir – als schwächstes Glied in einer langen Kette. Der Mann tut sein Bestes – aber es reicht offenbar nicht angesichts der Vorgaben.

Die neue Post ist vor allem ihren Aktionären verpflichtet

Die neue Post ist vor allem ihren Aktionären und erst dann den Kunden verpflichtet. Postfilialen gehören in der Hansestadt längst auf die Rote Liste der gefährdeten Arten. Auch Briefkästen scheinen langsam auszusterben. Kürzlich brüstete sich ein Postsprecher damit, dass die Zahl der Briefkästen zuletzt um 2000 Stück auf 110.000 in Deutschland gestiegen sei und jeder Kunde in 1000 Meter Entfernung einen Kasten fände. Wow! Was der freundliche Mann verschwieg – 2003 lag die Distanz bei 500 Metern, und deutschlandweit harrten 140.000 Kästen der Briefe.

Die Servicequalität sinkt, dafür soll das Porto steigen. Der Standardbrief dürfte statt 70 Cent bald 85 bis 90 Cent kosten. Weil wir gerade bei Zahlen sind: Deutsche-Post-Chef Frank Appel bekam im Jahr 2016 eine Vergütung von 9,9 Millionen Euro. Damit fährt der Schneckenpostchef das 232-fache Einkommen seiner Bediensteten ein, wie die Hans-Böckler-Stiftung berechnete. „Mein Gehalt wird letztlich vom Markt bestimmt“, sagte Appel. Höchste Zeit, dass der Markt dem Laden mal den Marsch bläst, gerne auch auf einem altertümlichen Posthorn.