Die kleine Hansestadt Bremen zeigt ihrer großen Schwester Hamburg, wie man erfolgreich impft.
Johann Wolfgang von Goethe schrieb 1827 das kleine Gedicht „Amerika“, das mit dem berühmten Satz beginnt: „Amerika, du hast es besser.“ Heute, fast zweihundert Jahre später, würde es vielleicht ein Loblied auf Bremen singen: Denn die Impf- und Corona-Politik der Stadt an der Weser schlägt die ihrer großen Schwester um Längen. Und anders als bei den hinkenden Vergleichen Hamburgs mit Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern lassen sich beide Städte sehr wohl nebeneinanderstellen: Handelsmetropolen, starke Häfen und Industrie, viele Migranten.
Bremen liegt bei Impfungen seit Monaten vorn
Umso interessanter: Bei den Impfungen liegt die kleine Hansestadt bei vergleichbaren Vakzinmengen seit Monaten vorn – und baut diesen Vorsprung sogar aus. 62,1 Prozent der Bremer sind vollständig geimpft: 12,5 Prozentpunkte mehr als in Hamburg. Mindestens einmal sind an der Weser 70,7 Prozent geimpft: 6,8 Prozentpunkte mehr als an der Elbe. Dieser Vorsprung zieht sich durch alle Altersgruppen, besonders deutlich ist er bei den 18 bis 59-Jährigen. Der Unterschied fällt zudem so deutlich aus, dass er auch einen Einfluss auf die Neuinfektionen haben dürfte – bei der Sieben-Tage-Inzidenz liegt Bremen deutlich hinter der großen Schwester.
Es ist besonders interessant, dass die Bundesländer, deren Ministerpräsidenten multimedial für das Team Vorsicht stehen, beim Impfen nicht mitkommen. Bayern und Hamburg hinken hinterher – Bremen, das Saarland und Schleswig-Holstein liegen vorn.
Der Erfolg an der Weser fiel nicht vom Himmel, sondern ist Ergebnis guter Politik des rot-rot-grünen Senats: Gemeinsam mit der Wirtschaft wurden die Impfungen geplant, die Bremer haben nicht nur auf das Wissen der heimischen Unternehmen wie etwa bei Eventim aus der Veranstaltungsbranche gesetzt, sondern auch auf Beschäftigte aus der Gastronomie.
Bremen schreibt Impflinge persönlich an
Die Stadt hat – anders als Hamburg – alle Bürger über 60 und Vorerkrankten direkt angeschrieben und einen Impftermin angeboten. Zudem ließ sich über die Software ein individueller Termin buchen. Anders als in anderen Bundesländern funktionierten die Callcenter. Impfmobile fuhren in die Stadtteile mit schwieriger Sozialstruktur. Für die umstrittene Impfung von Zwölf- bis 17-Jährigen setzte Bremen eine eigene Impfstraße mit Kinder- und Jugendärzten. Und hat bereits alle älteren Jugendlichen angeschrieben.
Auch Hamburger Hafenunternehmen schauen neidisch auf die Bremer: Dort gingen die Impfungen deutlich früher los, weil die Hafenmitarbeiter zur Prioritätsgruppe der kritischen Infrastruktur gehören. Während Hamburg eher vorsichtig reagierte, lautete das Ziel in Bremen: Impfen, impfen, impfen. Das galt im Übrigen auch für Niedersachsen, die in Bremen arbeiten, einen Impflokalpatriotismus hat man an der Weser von Anfang an verhindert.
Schulen in Bremen blieben länger offen
Man sah Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte so gut wie nie in einer Talkshow – das spricht zum einen gegen die Auswahl der Quasselshows, vielleicht aber auch ein bisschen für den SPD-Politiker. „Wir brauchen“, so sagte er in einem der rar gesäten Interviews „eine nüchterne und sehr rationale Diskussion, wie wir mit steigenden Infektionszahlen umgehen, ohne sofort wieder in einen Lockdown reinzurutschen.“ Gegen den Widerstand der Grünen setzte die SPD durch, dass auch die Schulen in Bremen länger offen blieben.
Es ist natürlich, dass in einer nie da gewesenen Pandemie die Politik Fehler macht – und es wäre so wohlfeil wie unfair, Fehler immer wieder zu betonen. Man darf aber einfordern, dass man von denen lernt, die offenbar besser durch die Pandemie kommen.
Hamburg bricht sich keinen Zacken aus der Krone, genauer auf das Bremer Modell zu schauen.