Ratzeburg. Den Kreis gibt es als Gebiet schon seit 1296. Aber erst nach dem Krieg, 1946, wurde der erste Kreistag gebildet.
Es ist das Jahr 1154, als Heinrich der Löwe auf dem Reichstag zu Goslar das Recht der Bischofsinventur für das Bistum Ratzeburg von Kaiser Friedrich I. erhält. 1180 verliert er das Herzogtum Sachsen, zu dem auch die Lauenburgische Region zählt, an die askanischen Herzöge. Die Gebietsteilung 1296 in Sachsen-Lauenburg – das spätere Kreisgebiet – und Sachsen-Wittenberg kann als „Geburtsstunde“ des Kreises bezeichnet werden.
Wesentlich jünger ist die Selbstverwaltung des Herzogtums Lauenburg mit 132 Städten und Gemeinden, die am 14. Januar 1946 um 11 Uhr mit der konstituierenden Sitzung im Hotel Fürst Bismarck in Ratzeburg den Aufbruch in die Demokratie darstellte. Jetzt wurde das 75-jährige Bestehen des Kreistages mit einem Festakt in der Ratzeburger St. Petri-Kirche begangen.
Historikerin informiert beim Festakt über die Geschichte des Kreises
Drei Parteien gab es 1946. CDU und SPD stellten jeweils 22 Abgeordnete, die KPD als „Zünglein an der Waage“ war mit einem Mandatsträger vertreten. Als ersten kommissarischen Landrat hatten die britischen Besatzer bereits 1945 Ewald Raaz eingesetzt. Der Jurist war ein erklärter Gegner des Nationalsozialismus.
„Kernthemen der Kreispolitiker waren über viele Jahre die Arbeitslosigkeit, die Versorgung der vielen Flüchtlinge und der Holzmangel. Der Kreis hatte sich im Laufe des Zweiten Weltkriegs hinsichtlich der Einwohnerzahl auf 147.000 Menschen verdoppelt“, berichtete die Historikerin Dr. Anke Mührenberg, die Archivarin im Kreis war und heute die Kreismuseen leitet.
Integration der Flüchtlinge war damals eine große Herausforderung
Die Demokratisierung war bei der Konstituierung des ersten Kreistags eines der Kernthemen. „Ab 1933 bekamen die von den Nazis eingesetzten Landräte SA-Leute zur Überwachung an die Seite gestellt.
Nach dem Krieg wurden nur die Spitzenpositionen von den Briten mit entnazifizierten Beamten neu besetzt, der Rest blieb, damit die Verwaltungen arbeitsfähig blieben“, so die Historikerin. Dafür setzten die Briten im Kreis mehrere Bezirksbürgermeister ein, die vom Landrat jede Woche zu Gesprächen einbestellt wurden.
„Wie auch im Jahr 2015 war die Integration der Flüchtlinge eine große Herausforderung. 75.000 Menschen waren als Vertriebene in den Kreis gekommen. Sie mussten versorgt und untergebracht werden“, fügte Kreispräsident Meinhard Füllner bei dem Festakt hinzu.
Wechselhafte Geschichte des Kreises Herzogtum Lauenburg
Während der Kreistag gerade einmal seinen 75. Geburtstag feiert, kann der Kreis selbst auf eine sehr wechselhafte Geschichte zurückblicken. Mit dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815 fiel das Herzogtum an das dänische Königreich. Nach der dänischen Niederlage im Deutsch-Dänischen-Krieg von 1864 wurde das Lauenburgische wie ganz Schleswig-Holstein preußisch. Otto von Bismarck sorgte als preußischer „Minister für das Herzogtum Lauenburg“ für dessen Eingliederung.
Ein Bonmot, das Bismarck zugeschrieben wird, lautet: Wenn die Welt untergeht, möchte er dies im Herzogtum erleben. Warum? Hier geschieht alles 100 Jahre später. Tatsächlich wurde erst 1882 das veraltete mittelalterliche Ständesystem abgeschafft. In dieser 1853 reformierten „Ritter- und Landschaft“ saßen jeweils fünf gewählte Abgeordnete des Adels, der Städte und der Bauernschaft.
Herzogtum ist der größte kommunale Waldbesitzer in Deutschland
Dass sich dieses Ständesystem so lange halten konnte, hat auch etwas mit dem Bedeutungsverlust des kleinen Herzogtums zu tun. Was hier geschah, interessierte nicht wirklich. Andererseits sorgte die Ritter- und Landschaft in den Beitrittsverhandlungen dafür, dass der Kreis Herzogtum Lauenburg der größte kommunale Waldbesitzer in Deutschland wurde: Neben 9300 Hektar Kreisforsten gehören dazu 2300 Hektarlandwirtschaftliche Flächen.
Nach 75 Jahren endlich ein Saal für den Kreistag
Am Anfang standen die Versorgung der vielen Flüchtlinge und der Wiederaufbau im Vordergrund. Dann ging es um den richtigen Weg für den im sogenannten Zonenrandgebiet gelegenen Kreis Herzogtum Lauenburg. Vor gar nicht so langer Zeit musste der Kreis wegen der Finanzkrise in die Konsolidierung und diverse massive Einschnitte auch für die Bürger vornehmen. Und heute sind die Digitalisierung und die Bewältigung der Corona-Pandemie zentrale Probleme.
„Von Anfang an fehlte unseren Kreispolitikern aber ein fester Saal. Wir waren in Hotels, Gaststätten, Schulen und an vielen anderen Orten“, so Kreispräsident Meinhard Füllner. 2023 soll nun im geplanten Anbau der Kreisverwaltung erstmals ein richtig großer Sitzungssaal entstehen.