Hamburg. Die eine ist geimpft, die andere nicht: Da könnte schon die Frage nach einem Partyabend auf dem Kiez zum Problem werden.
„Ich möchte dich gern am 10. September um 19 Uhr zu meiner Geburtstagsparty bei mir zu Hause einladen. Bis auf zwei Freundinnen sind alle geimpft.“ So sieht die moderne Geburtstagseinladung aus – ähnlich erhielt ich sie vor ein paar Tagen bei WhatsApp. Inzwischen spielt die Location eine untergeordnete Rolle – viel wichtiger ist der Impfstatus der Gäste.
Wenn man sich untereinander kennt, werden auch Namen der Ungeimpften preisgegeben, sodass jeder auf der Party genau weiß, wer die Nadel im Arm hatte und wer nicht. Mit Datenschutz hat das wenig zu tun. Oder hat jeder Gast zum Wohle seiner Gesundheit ein Recht darauf zu erfahren, wer nicht geimpft ist und damit eine größere Gefahr darstellt?
Was macht 2G mit einer Freundschaft?
Seit Sonnabend können Restaurants, Kinos, Theater und weitere Kulturstätten in Hamburg wieder voll besetzt werden – sofern die Veranstalter und Einrichtungen sich für das vom Senat angebotene 2G-Modell entscheiden und nur Geimpfte und Genesene zulassen. Die allermeisten heißen weiterhin auch getestete Personen willkommen und bleiben dem 3G-Prinzip treu – bis jetzt.
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Denn allein aus finanzieller Sicht können es sich nicht alle Betriebe leisten, Stühle weiter unbesetzt zu lassen. Der Unterschied zwischen ungeimpften und geimpften Menschen wird immer größer. Unabhängig davon, ob man 2G nun für eine gute Lösung oder für unzumutbar hält: Die zunehmende Ungleichheit wird viele Freundschaften belasten.
Corona hat bereits Freundschaften entzweit
Corona hat in den vergangenen eineinhalb Jahren Freunde entzweit. Wenn sich der eine penibel an die Regeln hielt, der andere aber heimlich Partys feierte, konnte dies zu heftigen Streitereien führen. Oder noch extremer: Der eine sieht Impfungen als den einzig wahren Weg aus der Pandemie, der andere leugnet das Virus, schluckt Vitamintabletten, um sich nicht mit dem laut ihm „magnetischen Impfstoff“ zu infizieren.
So erlebt es gerade ein Kumpel von mir in seinem Freundeskreis. Gegensätzlicher könnten die Auffassungen kaum sein. Ich bewundere, wie die beiden es schaffen, ihre Freundschaft aufrecht zu erhalten. Beim Thema Corona fällt es mir ähnlich schwer, komplett andere Meinungen zu akzeptieren wie bei den Ansichten zur Politik der AfD.
2G in Hamburg: Ich stelle mir eine Reihe von Fragen
Ich stelle mir gerade eine Reihe von Fragen, die sich wohl erst in den nächsten Wochen beantworten lassen. Derzeit ist es kein Problem, mit einer ungeimpften Freundin beim Italiener essen zu gehen, da viele Restaurants auf 3G setzen. Aber: Selbst wenn die Gastronomen weiterhin Getestete hereinlassen, sollen ab Oktober die Schnelltests kostenpflichtig werden – und dann? Gut vorstellbar, dass es der Ungeimpften – die möglicherweise aus medizinischen Gründen von einer Immunisierung absieht – zu teuer wird, einen Abend mit Pasta und Wein plus Corona-Test zu zahlen.
Was wird aus der Tradition, jeden Donnerstagmorgen gemeinsam schwimmen zu gehen? Fällt der Besuch im Fußballstadion flach, bis die Pandemie vorbei ist? Was ist, wenn sich die geimpfte Freundin in der Nähe der Ungeimpften unwohl fühlt? Was machen all diese Umstände mit einer Freundschaft?
Klar ist, eine gute Freundschaft sollte nicht an Aktivitäten geknüpft sein. Wahren Freunden kann es nichts anhaben, den Abend nicht mehr beim Italiener verbringen zu können. Dann trifft man sich eben zu Hause und bestellt eine Pizza.
Wie läuft ein Partyabend auf dem Kiez künftig ab?
Komplizierter könnte es in größeren Cliquen werden. Wenn die Stammkneipe, die schon seit 20 Jahren Treffpunkt ist, auf 2G umstellt – verzichten dann alle? Wie groß ist die Solidarität mit den Ungeimpften im Freundeskreis? Haben sie nicht selbst Schuld, das Impfangebot nicht angenommen zu haben? Wie läuft ein Partyabend auf dem Kiez künftig ab? Fährt der ungeimpfte Kumpel nach Hause, während die Geimpften von der 3G-Bar, die zur Sperrstunde schließen muss, in den 2G-Club weiterziehen?
Besonders problematisch sehe ich die Ungleichheit unter Schülern. Wenn nur noch ein Teil der Klasse zusammen ins Kino gehen kann und einige von sämtlichen Freizeitaktivitäten ausgeschlossen sind, kann das zu Mobbing und einer grausamen Schulzeit führen. Auch wenn ich absolut gegen eine Impfpflicht bin: Nur wenn sich ausreichend Menschen – vor allem Erwachsene stehen in der Verantwortung – immunisieren lassen, müssen Freundschaften mit diesen Themen nicht mehr belastet werden.