Heilshoop. Vanessa Reder (31) aus Heilshoop fühlt sich mit einem Nixenschwanz „vollkommen“. Der „Mermaiding“-Trend kommt aus den USA.

Wenn Vanessa Reder durch das Wasser gleitet, ist die 31-Jährige in ihrem Element. Die Frau aus dem kleinen Dorf Heilshoop im äußersten Norden Stormarns hat ein ganz besonders Hobby: Sie verwandelt sich in ihrer Freizeit in eine Meerjungfrau.

Mermaiding heißt der Trend, der aus den USA kommt. Inzwischen gibt es aber auch in Deutschland eine Community für das Verkleiden als zauberhaftes Wasserwesen, die sich selbst als „Merfolk“ bezeichnet. „Mit einem Nixenschwanz fühle ich mich vollkommen“, sagt Reder. Das Mermaiding bezeichnet sie als „Tanzen unter Wasser“. Die Heilshooperin sagt: „Ich liebe das Gefühl der stromlinienförmigen Bewegungen und kann mir keinen zauberhafteren Sport vorstellen.“

Beim Mermaiding ziehen sich die überwiegend weiblichen Anhängerinnen des Trends einen Fischschwanz über, um wie die Fabelwesen durch das Wasser zu gleiten. Ähnlich wie beim Tauchen mit einer Monoflosse können die Beine dadurch nicht getrennt voneinander bewegt werden. „Es ist vergleichbar mit dem Delfin-Schwimmen, nur ohne das Hochdrücken mit den Armen“, beschreibt Reder das Tauchen mit Flosse. „Eine wellenförmige Ganzkörperbewegung, von den Armen bis in die Fußspitzen.“ Das Schwierigste sei nicht die Fortbewegung, sondern das Luftanhalten. „Das braucht regelmäßiges Training, sonst verliert man schnell Fortschritte“, sagt Vanessa Reder.

Fischschwänze werden maßgefertigt

Vanessa Reder ist regelmäßig auf Messen als Meerjungfrau gebucht. Hier ist sie auf der
Vanessa Reder ist regelmäßig auf Messen als Meerjungfrau gebucht. Hier ist sie auf der "boot" in Düsseldorf zu sehen. © Privat | Privat

Die Fischschwänze sind wahlweise aus Stoff oder Silikon gefertigt. „Einsteiger beginnen meist mit Stoff, weil Silikonflossen sehr teuer sind“, sagt Reder, die in Hamburg Grundschullehramt mit den Fächern Deutsch, Mathematik und Sport studiert. Die Heilshooperin ist inzwischen auf Silikon umgestiegen. „Die sehen authentischer aus“, sagt sie. Spezielle Anbieter fertigen die Schwänze auf Bestellung passgenau an. „Es ist wichtig, dass die Flosse eng anliegt, damit die Beine nicht rausrutschen können“, erklärt die 31-Jährige.

„Wadenlänge, Breite der Füße und Taillenumfang, das muss alles genau ausgemessen werden“, sagt Reder. Silikon sei aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften besonders gut als Material geeignet. „Es hat genau die richtige Dichte, sodass es im Wasser weder sinkt noch nach oben steigt.“ Deshalb spiele auch das Gewicht der Flosse von rund 16 Kilogramm beim Schwimmen keine Rolle.

Das Meerjungfrauenkostüm kostet rund 2500 Euro

Die Schwanzflossen werden individuell an den Körper angepasst.
Die Schwanzflossen werden individuell an den Körper angepasst. © Michael Schreiner | Michael Schreiner

Die Heilshooperin hat ihr Meerjungfrauenkostüm bei einem Anbieter in Hannover anfertigen lassen. „Man muss sich überlegen, wie man als Meerjungfrau aussehen würde?“, sagt Reder. Farbe, Modell und Form der Flosse, es gebe zahlreiche Auswahlmöglichkeiten. Rund 2500 Euro kostet ein Fischschwanz. „Eigentlich wollte ich mir ein Auto kaufen, habe mich dann aber spontan für die Flosse entschieden“, sagt Reder mit einem Schmunzeln. Bereut hat sie die Entscheidung nicht. „Als ich die Flosse dann das erste Mal gesehen habe, war ich überwältigt, weil sie genauso aussah, wie in meiner Vorstellung.“

Das Aussehen der Flosse sei entscheidend für die Charakterbildung. Denn beim Mermaiding konstruierten die Kostümträgerinnen eine eigene Person, ein Alter Ego. „Man kann das mit dem Cosplay vergleichen“, erklärt Reder. Bei dem Trend, der aus Japan kommt, verkleiden sich die Anhänger als Fantasie-Figuren aus Videospielen oder Filmen, um Rollenspiele zu spielen. Viele in der Szene gäben sich auch einen eigenen Meerjungfrauen-Namen.

2012 gewann sie die Wahl zur „Miss Schleswig-Holstein“

Vanessa Reder nennt sich als Nixe „Mermaid Lille.“ Der Name soll eine Referenz an das Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen sein, das im dänischen Original „Den lille Havfrue“ heißt. „Ich bin in meiner Familie die Kleinste und komme aus dem Norden“, erklärt die gebürtige Lübeckerin die Namenswahl. Als Meerjungfrau habe sie die Möglichkeit, eine andere Seite ihrer Persönlichkeit auszuleben. „Lille ist meine bunte, fantasievolle Seite, Vanessa ist die Vernünftige, Bodenständige“, sagt die 31-Jährige über ihr Alter Ego. „Lille hat mir geholfen, meine innere Balance zu finden.“

2012 wurde Vanessa Reder zur „Miss Schleswig-Holstein“ gekürt
2012 wurde Vanessa Reder zur „Miss Schleswig-Holstein“ gekürt © FILIP RIBEIRO,VANITY PICTURES | FILIP RIBEIRO,VANITY PICTURES

Wasser habe schon immer eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt, erzählt Reder. „Ich bin an der Lübecker Bucht aufgewachsen und war schon von klein auf eine begeisterte Schwimmerin.“ Auch als Erwachsene habe sie es bei der Wahl des Wohnortes immer ans Meer gezogen. Zum Mermaiding gekommen ist Vanessa Reder durch Zufall. „2014 bin ich erstmals damit in Kontakt gekommen“, erzählt sie. Zwei Jahre zuvor hatte die Heilshooperin die Wahl zur „Miss Schleswig-Holstein“ gewonnen.

Sie war auch schon „Miss Mermaid“

Einer der Organisatoren des Schönheits-Wettbewerbs habe sie 2014 gemeinsam mit anderen Gewinnerinnen zu einem Fotoshooting nach Mallorca eingeladen. „Einer der Kooperationspartner stellte solche Flossen her und da habe ich das einfach mal ausprobiert, die Schwimmfertigkeiten hatte ich ja“, sagt die 31-Jährige. „Zuerst war ich geschockt, wie schnell man mit Flosse vorankommt.“

Von diesem Moment an sei das Tauchen mit Fischschwanz zu ihrer Leidenschaft geworden. 2015 wurde sie im ägyptischen Soma Bay zur zweiten deutschen „Miss Mermaid“ gekürt. Zuvor hatte Reder nicht nur ihre Fähigkeiten auf dem Laufsteg und im Interview unter Beweis stellen müssen, sondern auch beim Luftanhalten und im Posieren unter Wasser. „Eben alles, was eine Meerjungfrau so können muss“, sagt Reder und lacht. Inzwischen ist die Heilshooperin regelmäßig auf Messen, Firmenfeiern oder Kreuzfahrten in aller Welt als „Mermaid Lille“ gebucht.

Vanessa Reder bietet auch Meerjungfrauen-Kurse an

„Es bereitet mir Freude, wenn ich die Menschen als Lille verzaubern kann“, sagt Reder. Die Heilshooperin möchte ihre Leidenschaft auch mit anderen teilen. Gemeinsam mit zwei anderen Nixen aus Schleswig-Holstein bietet Vanessa Reder neben ihrem Studium für alle, die sich gern im Schwimmen mit Flosse versuchen möchten, Meerjungfrauen-Kurse an. „Wir trainieren im Hallen- oder Freibad, meist zunächst im Nichtschwimmerbereich“, sagt die 31-Jährige.

Die meisten ihrer Schüler seien Jungen und Mädchen zwischen acht und 13 Jahren, aber auch Erwachsene könnten sich am Mermaiding versuchen. „Da gibt es keine Altersgrenze“, sagt Reder.

Bevor es mit den Flossen ins Wasser gehe, gebe es immer eine Theorieeinheit. „Ich erzähle etwas über die Sagen rund um Meerjungfrauen, wo die eigentlich herkommen und was Mermaiding ist“, so die Heilshooperin. Darüber hinaus thematisiere sie Umweltverschmutzung und die Bedeutung des Meeresschutzes. „Mir ist es wichtig, auch für ernste Themen zu sensibilisieren“, betont die 31-Jährige und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Meeresschutz ist schließlich auch Meerjungfrauenschutz.“