Bad Oldesloe. Bis Ende Juli werden in Stormarn 24.000 Menschen befragt. Es geht unter anderem um Bildung, Beruf und die Wohnsituation.
Sind Sie verheiratet? Welchen Schulabschluss haben Sie? Und was sind Sie von Beruf? Rund 24.000 Stormarner erhalten von heute an neugierigen Besuch an der Haustür. Am 16. Mai startet der Zensus 2022 in Schleswig-Holstein. Bis Ende Juli erheben Interviewer im Auftrag des Statistikamtes Nord Daten zu Demografie, Schulbildung, Beruftätigkeit und Wohnsituation. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist der Zensus und wozu dient er? Der Zensus ist die größte Volkszählung in Deutschland. Die Europäische Union schreibt ihren Mitgliedsstaaten vor, die Befragung alle zehn Jahre durchzuführen. Den bislang letzten Zensus gab es 2011. Eigentlich wäre die Befragung im vergangenen Jahr fällig gewesen, doch aufgrund der Corona-Pandemie wurde sie verschoben. Bei der Erhebung handelt es sich um einen sogenannten registergestützten Zensus – eine Mischung aus persönlichen Interviews und dem Abgleich des Melderegisters.
Die Daten liefern den Behörden verlässliche Informationen über die Einwohnerzahl der Kommunen und helfen der Politik bei wichtigen Entscheidungen. Beispielsweise werden die Bevölkerungszahlen zur Einteilung der Wahlkreise und für den kommunalen Finanzausgleich herangezogen.
Wie werden die Befragten ausgewählt?
Der Zensus setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zum einen gibt es die Haushaltebefragung. Hier werden sowohl Bewohner von Einzelhaushalten als auch von Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften befragt. Erstere werden per Zufallsstichprobe ausgewählt, in Letzteren werden alle Personen befragt. Den zweiten Teil bildet die Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ). Hier werden alle Eigentümer von Wohnimmobilien befragt. In Stormarn müssen etwa zehn Prozent der Menschen mitmachen. Landesweit werden rund 430.000 Menschen befragt.
Wie läuft die Befragung ab?
Die Erhebung wird von eigens geschulten Erhebungsbeauftragten durchgeführt. Rund 350 solcher Interviewer sind in Stormarn im Einsatz. Diese Außendienstler besuchen die für die Befragung ausgewählten Personen zu Hause. Dafür erhalten sie eine Vergütung von 7,50 Euro pro Fragebogen. Die Erhebungsbeauftragten kündigen sich schriftlich vorher an, mit einem Anschreiben und einer Terminkarte. Zunächst fragen die Interviewer, wie viele Personen im Haushalt leben, nach Familiennamen und Vornamen, Geburtsdatum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Kontaktdaten.
Etwa Dreiviertel der Befragten werden detaillierter zu Themen wie Bildung und Berufstätigkeit befragt. Sie erhalten Zugangsdaten zu einem Online-Formular, das sie selbstständig ausfüllen können. Alternativ kann auch ein Papierfragebogen angefordert werden. Diese weitergehende Befragung dauert laut Statistikamt zehn bis 15 Minuten.
Bei etwa vier Prozent der Teilnehmer wird eine Wiederholungsbefragung durchgeführt. Sie dient laut Statistikamt dazu, mögliche Messfehler auszuräumen. Die betroffenen Personen werden erneut per Post informiert. Im zweiten Durchgang werden nur einige wenige Fragen gestellt, etwa zu Geschlecht, Geburtsdatum und Wohnsitz. Die Ergebnisse des Zensus 2022 sind voraussichtlich ab Ende 2023 im Internet abrufbar.
Kann ich die Teilnahme verweigern? Die Teilnahme am Zensus ist verpflichtend. Die für die Umfrage ausgewählten Einwohner müssen den Interviewer zwar nicht in die Wohnung lassen, für sie besteht aber Auskunftspflicht. Die Nichtbeantwortung kann mit einem Zwangsgeld von 300 bis 500 Euro bestraft werden.
Welche Fragen werden gestellt?
2011 bestand der Fragebogen aus 46 teils sehr persönlichen Fragen. Ein Musterexemplar für ist unter www.zensus2022.de abrufbar. Grob zusammengefasst lassen sich die Fragen den Themen Demografie, Bildung, Wohnraum und Erwerbstätigkeit zuordnen.
Wie wird Datenschutz sichergestellt?
Für die erhobenen Informationen gelten strenge Datenschutzvorschriften. Alle Daten unterliegen der Geheimhaltung. Angaben, die eine persönliche Zuordnung ermöglichen, werden laut Statistikamt zum frühestmöglichen Zeitpunkt von den weiteren Daten getrennt und gelöscht. Die Informationen werden an keine anderen Behörden wie Melde- und Finanzämter weitergegeben.
Für die Erhebungsbeauftragten gilt zudem eine gesetzliche Schweigepflicht. Um den Datenschutz zu gewährleisten, sind die Mitarbeiter des Zensus-Teams laut Stormarns Landrat Henning Görtz in der Stormarner Kreisverwaltung räumlich, technisch und inhaltlich komplett von der restlichen Behörde abgekoppelt. Ein eigenes IT-Netzwerk soll gewährleisten, dass die Daten von der Verwaltung nicht für andere Zwecke verwendet werden.
Wie schütze ich mich vor Betrügern?
Die Polizei warnt vor Betrügern, die sich als Interviewer ausgeben, um an sensible Daten zu gelangen. Michael Bergmann, Sprecher der Polizeidirektion Lübeck, sagt: „Ausgewählte Haushalte bekommen eine schriftliche Ankündigung von der Kommune. Hierin wird die Person namentlich benannt, die die Befragung durchführt.“ Auch eine Telefonnummer sei angegeben. Außerdem könnten sich alle Interviewer mit einem speziellen Ausweis legitimieren. Dieser sei jedoch nur in Zusammenhang mit einem Personalausweis gültig. Bergmann rät deshalb: „Betroffene sollten die Daten des Ausweises zum Zensus 2022 unbedingt mit dem amtlichen Ausweis abgleichen.“
Zudem weist das Statistikamt darauf hin, dass hochsensible Informationen zur finanziellen Situation oder zu Benutzerkonten nicht abgefragt werden. Erkundigt sich der Interviewer nach Sozialversicherungsnummer, Personalausweis, Reisepass, Unterschrift, Geld, persönlichen Benutzerkennungen und Passwörtern, Bank-, Kreditkarten- oder Kontoinformationen, der E-Mail-Adresse, geplanten Urlauben oder dem Einkommen, sollten Betroffene keine Auskunft geben und die Polizei verständigen. Einige Betrüger versuchten auch, mit der Teilnahme an Gewinnspielen oder Belohnungen zu locken, warnt das Statistikamt.
Was kostet der Zensus Stormarn?
Die Kreisverwaltung hat für den Zensus eigens eine befristete Stabstelle eingerichtet. Bereits zum 1. Juli 2021 haben die Mitarbeiter die streng abgeschotteten Räume an der Mühlenstraße in Bad Oldesloe bezogen. Acht zusätzliche Vollzeitstellen wurden für die Dauer der Erhebung geschaffen, die das Personalbudget mit rund 500.000 Euro belasten. „Da sind Sachkosten und die Miete für zusätzliche Büros nicht eingerechnet“, sagt Landrat Görtz. Einen Großteil erhält der Kreis allerdings vom Land erstattet.
Warum steht der Zensus in der Kritik? Nach dem Zensus 2011 hatten mehr als 1000 Städte und Gemeinden gegen ihre neu ermittelte Einwohnerzahl Widerspruch eingelegt und die Daten anhand ihrer eigenen Aufzeichnungen angezweifelt. Grund ist, dass mit niedrigeren Einwohnerzahlen auch geringere finanzielle Zuwendungen verbunden sind.
Die Erhebung ergab etwa, dass in Schleswig-Holstein 33.640 Menschen weniger lebten als in den Melderegistern verzeichnet. Am größten war die Abweichung in Plön. Statt 12.834 offiziell gemeldeten Bürgern lebten nur 8686 in der Stadt. Ein sattes Minus von 32 Prozent, das die Stadt Schlüsselzuweisungen von 1,9 Millionen Euro pro Jahr kostete.