Der scheidende Vorstandschef hat einen wichtigen Baustein für einen erfolgreichen Nivea-Konzern von morgen unterschätzt.

Es war ein Paukenschlag, als Beiersdorf am Dienstagabend kurz nach Börsenschluss bekannt gab, dass Vorstandschef Stefan De Loecker in wenigen Tagen sein Amt abgeben wird. Aufsichtsrat und De Loecker hätten sich „einvernehmlich“ auf das Ende des Beschäftigungsverhältnisses geeinigt, heißt es in der zudem mit viel Lob für die Arbeit des Belgiers („herausragende Erfolge“, „bleibend vorangebracht“) garnierten Pressemitteilung. Nun ist „einvernehmlich“ ein weit interpretierbarer Begriff und passt im Falle De Loeckers wohl nur in rudimentären Ansätzen.

Vieles spricht dafür, dass der Belgier, der erst vor gut zwei Jahren auf dem Chefsessel des Konzerns Platz genommen hat, einfach keine Lust mehr hatte. Das Verhältnis zwischen dem 53-jährigen Manager und dem Aufsichtsrat rund um Reinhard Pöllath und Wolfgang Herz galt zuletzt als angespannt. De Loecker war das Kontrollgremium offensichtlich zu mächtig und einflussreich – auch bei operativen Entscheidungen. Teile des Aufsichtsrats vertraten im Gegenzug wohl eher die Meinung, dass finanzieller Einsatz und unternehmerischer Erfolg zu weit auseinanderklafften.

Milliardenschweres Investitionsprogramm

Anfang 2019 war De Loecker mit seiner Strategie C.A.R.E.+ als Beiersdorf-Chef angetreten. Die Ideen dahinter waren schlüssig. Als Massenhersteller von Cremes, Duschgels und Lotionen wollte der Belgier weltweit neue Märkte erschließen und so den Umsatz weiter in die Höhe treiben.

Dabei helfen sollte dem Unternehmen die Digitalisierung, also eine moderne Form der Kundenbindung und der Verkauf über das Internet. De Loecker setzte ein milliardenschweres Investitionsprogramm auf, genehmigt vom Aufsichtsrat. Doch zumindest zu Beginn seiner Amtszeit unterschätzte der Manager einen dritten wichtigen Baustein für einen erfolgreichen, innovativen Nivea-Konzern von morgen: die Nachhaltigkeit.

Stagnierende Umsätze und sinkende Erträge

Während unzählige Start-ups bereits seit Jahren mit Hautpflege ohne Mikroplastik und ökologisch unbedenkliche Verpackungen in die Regale der Drogeriemärkte drängten, setzte De Loecker auf die Kraft der starken Konzernmarken – allen voran Nivea. Blaue Dose gegen grünes Bewusstsein – dieser Plan war vor allem in Europa zum Scheitern verurteilt. Die Quittung: stagnierende Umsätze, sinkende Erträge. Und dann auch noch das Konsumloch während der Pandemie, in welches Beiersdorf fiel.

Erst relativ spät justierte De Loecker seine Strategie nach, sprang auf den bereits in hohem Tempo durch Europa fahrenden Naturkosmetik-Zug auf. Zu spät? Fakt ist: Um den Vorsprung der Konkurrenz in diesem Bereich aufzuholen, sind nun weitere große finanzielle Kraftanstrengungen nötig.

Vincent Warnery muss das Tempo erhöhen

Denn nur auf Wachstum in Lateinamerika und Asien sowie die Erfolge der innovativen Klebstoff-Tochter Tesa kann sich Beiersdorf in den kommenden Jahren nicht verlassen. Auch lukrative Übernahmen kleinerer Unternehmen, die den Hamburgern beim Thema Nachhaltigkeit weit voraus sind, könnten in den nächsten Monaten helfen und die Zeit des notwendigen Wandels deutlich verkürzen.

Doch dafür muss Beiersdorf noch konsequenter und großzügiger an den eigenen, gut gefüllten Geldspeicher heran. Dem neuen Vorstandschef Vincent Warnery bleibt nichts anderes übrig, als De Loeckers Weg fortzusetzen, das Tempo muss er allerdings erhöhen.

Bleibt zu hoffen, dass das mächtige Kontrollgremium den Franzosen dabei ohne Wenn und Aber unterstützt, vor allem wenn es um Zukäufe und womöglich teure Innovationen im Bereich Nachhaltigkeit geht. Denn nur wenn das Nivea-Blau in den kommenden Jahren viele grüne Farbtupfer bekommt, hat der gesamte Konzern eine rosige Zukunft.