Die Rolle von Olaf Scholz wird viel über die Statik einer Großen Koalition aussagen.
Das politische Berlin gleicht derzeit einer Gerüchte-Großküche – die Zubereitung einer neuen Großen Koalition lässt die Spekulationen ins Kraut schießen. Büchsenspanner, Strippenzieher und Spekulanten füttern die Debatte mit immer neuen Zutaten. Nun ist auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz wieder im Topf potenzieller Minister. Eine Überlegung sieht ihn als Finanzminister und Vizekanzler zugleich. Sollte Martin Schulz abwinken oder zurückgewinkt werden, könnte Scholz der starke Mann der derzeit so schwachen Sozialdemokratie sein.
Die Überlegung ist durchaus plausibel. Denn die SPD braucht Erfolge, um ihre zweifelnden Mitglieder zu überzeugen. Das Finanzministerium wäre ein doppelter Triumph und ein Versprechen: Zum einen gilt das Ministerium im Trutzbau aus dem Dritten Reich als Nebenkanzleramt, zum anderen ist es die Schaltstelle in der Europapolitik. Hier setzte Wolfgang Schäuble in der Vergangenheit als „Mr. Austerität“ Maßstäbe; nur hier wird ein Politikwechsel organisiert werden können. Das Versprechen der SPD nach der Sondierung, man habe sich auf ein „Ende des Spardiktats“ in Europa und mehr Investitionen geeinigt, ließe sich nur dort umsetzen. Und für diesen Job hat die SPD nur einen ernst zu nehmenden Kandidaten: Olaf Scholz. Er hat als Bürgermeister in der Vergangenheit als Verhandlungsführer die Bund-Länder-Finanzreform organisiert und in den Koalitionsverhandlungen die Themen Finanzen und Steuern für die SPD geleitet.
Der Posten an der Wilhelmstraße ist das einzige Amt, das den ehemaligen Bundesarbeitsminister aus dem beschaulichen Hamburg ins chaotische Berlin locken könnte. Der Job des Vizekanzlers würde ihm als Sahnehäubchen fast automatisch zufallen. Eigentlich gibt es nur ein Amt, das ihn wirklich fasziniert: das Kanzleramt.
Diesem könnte er als Finanzminister näherkommen: Scholz wäre der starke Mann in der SPD und würde so seine zahlreichen Kritiker verstummen lassen. Da sich Merkels Kanzlerschaft nach den endlosen Wochen der Regierungsfindung noch weiter entzaubert hat, dürfte die kommende Wahl spannender werden, als es die derzeitigen Umfragen vermuten lassen.
Es passt ins Bild, dass die SPD ihre Mitglieder zwar über den Koalitionsvertrag und die Postenverteilung, nicht aber über die Namen abstimmen lassen will. Sollten die Genossen die Große Koalition stoppen, wäre der Bürgermeister in seinem Amt kaum beschädigt. Wer nie offiziell auf einer Berliner Kabinettsliste stand, kann entspannter in Hamburg weiterregieren.
Zugleich gilt, dass Olaf Scholz nur nach Berlin wechseln wird, wenn er die Große Koalition für eine taugliche Regierungsmannschaft und eben nicht für ein Himmelfahrtskommando hält. Als Bürgermeister hat er stets versprochen, ordentlich zu regieren – und daraus ein Markenzeichen gemacht, mit dem er in der politischen Mitte heimisch wurde. Diesen Leitsatz wird er nicht der Großen Koalition zuliebe opfern. Im Zweifel wird er also lieber in Hamburg bleiben – und so seine Chance auf Berlin und seinen Traumjob im Kanzleramt wahren.
Am Ende wird die Personalie Scholz also viel über die Perspektiven der Großen Koalition aussagen – und was der Bürgermeister dieser Zwangsehe zutraut. Und noch eines steht schon jetzt fest: Olaf Scholz und der unglückliche Kanzlerkandidat Martin Schulz werden niemals zusammen an einem Kabinettstisch Platz nehmen.