Hamburg. Julian Hofmann-Jeckel spielt für den Hamburger Polo Club Hockey, ist aber beim nächsten Gegner Club an der Alster angestellt.
Gewinnen will er jedes Spiel, alles andere wäre ja auch Unsinn, wenn man ambitioniert in der Bundesliga unterwegs ist. Aber die Partie, die an diesem Sonntag um 14 Uhr am Pfeilshof ansteht, die ist Julian Hofmann-Jeckel noch ein bisschen wichtiger als alle anderen. Eine Niederlage mit seinem Hamburger Polo Club im Stadtderby in der Feldhockey-Bundesliga beim Club an der Alster würde ihm die folgende Arbeitswoche doch erheblich erschweren. „Natürlich müsste ich mir dann ein paar Tage krass Sprüche anhören. Deshalb hat dieses Spiel für mich mehr Prickeln als jedes andere“, sagt der 33-Jährige.
Um zu verstehen, warum das so ist, muss man wissen, dass der Offensivspieler in doppelter Mission unterwegs ist. Während er sportlich seit Frühjahr 2018 das grün-weiß-rote Polo-Trikot trägt, sind seine beruflichen Farben das Rot, Grau und Weiß des Clubs an der Alster. Seit 2019 ist er beim Traditionsverein vom Rothenbaum fest angestellt, mittlerweile als Leiter Marketing und Kommunikation.
Das führt zu der kuriosen Situation, dass er in der internen Kommunikation auf der Homepage, im Newsletter und der Mitgliederzeitung die Alster-Familie für das anstehende Prestigederby zu emotionalisieren versucht – um dann am Sonntag die von ihm motivierten Zuschauenden gegen sich zu haben. Stören tut ihn das nicht. „Das eine ist der Sport, das andere der Beruf. Ich bin professionell genug, um das trennen zu können“, sagt er.
So kam Julian Hofmann-Jeckel zu seinem Spitznamen
Dass man das in beiden Clubs genauso sieht, erfüllt ihn mit Erleichterung und Dankbarkeit. In die Rolle des Doppelagenten, der der einen Seite die Geheimnisse der anderen verrät, habe ihn noch nie jemand gedrängt. „Alle gehen respektvoll mit dieser Rivalität um, weil sie wissen, dass mir beide Clubs wichtig sind. Ich würde es auch kategorisch ablehnen, irgendetwas auszuplaudern. Aber dass mich niemand in diese Verlegenheit bringt, hilft mir natürlich“, sagt der Mann, den nur seine Familie Julian nennt. Im Hockey ist er als Billy bekannt, doch wer dahinter die spektakuläre Geschichte einer Spitznamensfindung erwartet, muss enttäuscht werden. Billy ist sein zweiter, im Personalausweis eingetragener Vorname.
Viel interessanter ist, wie es dazu kam, dass Julian aka Billy in seine Doppelrolle schlüpfte. Schließlich bezeichnet der in Wiesbaden geborene und beim Rüsselsheimer RK ausgebildete Angreifer den Club an der Alster als seinen Heimatverein, er wohnt eine Minute vom Clubgelände an der Hallerstraße entfernt und wird für seinen Ideenreichtum, seine Kreativität und seinen Einsatzwillen im Beruf hoch geschätzt. Geschäftsführer Eiko Rott, der den studierten Kommunikationsfachmann zunächst als Werkstudenten aus einer Agentur in der Schanze abwarb, wo Hofmann-Jeckel drei Jahre gearbeitet hatte, sagt: „Es ist eine Erfolgsgeschichte, einen Menschen wie Billy für unseren Club aufgebaut zu haben. Es ist für beide Seiten ein absoluter Gewinn, wie er sich entwickelt hat. Er ist ein Teamplayer, der sehr zielstrebig ist und Dinge herausragend umsetzt.“
Hofmann-Jeckel folgte dem langjährigen Alster-Kapitän
Nach seinem Wechsel aus Hessen 2008 spielte der ehemalige U-21-Nationalstürmer, der den Sprung in den A-Kader sportlich nicht schaffte, zehn Jahre für Alsters Bundesligaherren. „Ich dachte auch, dass ich meine Karriere hier beenden würde“, sagt der begeisterte Street-Art-Sammler, dessen Wohnung zehn Werke verschiedener Künstler schmücken. Nach Differenzen mit dem damaligen Cheftrainer Fabian Rozwadowski, die auch Alster-Urgestein Jonathan Fröschle aus dem Club vertrieben, folgte Hofmann-Jeckel dem langjährigen Alster-Kapitän, der aktuell Co-Trainer bei Polo ist, in den Hamburger Westen, nachdem ihm der damalige und aktuelle Polo-Chefcoach Matthias Witthaus den Wechsel schmackhaft gemacht hatte. Mit Nationalstürmer Constantin Staib steht zudem ein weiterer Ex-Alsteraner im Polo-Aufgebot.
„Erst dachte ich, dass es nur eine Übergangszeit wäre, bis bei Alster ein neuer Trainer übernimmt. Aber schon nach kurzer Zeit habe ich gespürt, wie wohl ich mich bei Polo fühle. Das ist ein toller Club, sehr bodenständig und familiär, aber trotzdem ambitioniert“, sagt Julian Hofmann-Jeckel. Und wie! In seiner dritten Bundesligasaison ist der Polo Club mit 16 Punkten aus sieben Partien bestes Hamburger Team – und kann seinen Vorsprung auf Alster, das bei einem Spiel mehr zwei Punkte zurückliegt, am Sonntag weiter ausbauen.
Billy, der verhinderte Doppelagent, wird alles geben, damit das klappt. So wie er es immer tut, wenn er sich, das lange blonde Haar mit Stirnband notdürftig gebändigt, mit Laufstärke und Einsatzwillen in jeden Zweikampf wirft. Ob er das bis zum Karriereende für Polo tut oder doch noch einmal als Spieler zurückkehrt zu seinem Arbeitgeber, lässt er bewusst offen. Entsprechende Angebote gab es in den vergangenen zwei Jahren, bislang hat er sie abgelehnt. Das besondere Prickeln der Duelle mit Alster will er einfach noch ein wenig genießen.