Wentorf. Tafeln sollen aufgestellt und per QR-Code im Internet zusätzliche Infos verfügbar gemacht werden. Kosten: rund 16.000 Euro.

Aus einer sehr abwechslungsreichen, spannenden Geschichte hat sich die heutige Gemeinde Wentorf entwickelt. Die Politik will diese Geschichte jetzt über einen Lehrpfad den Bürgern und Besuchern erfahrbar machen. Vor ausgewählten Bauwerken und an Orten einst wichtiger Gebäude sollen Informationstafeln aufgestellt und per QR-Code online zusätzliche Informationen verfügbar gemacht werden. Zum Beispiel Fotos längst vergangener Gebäuden, etwa auf dem Areal des Gymnasiums oder des Miethauses am Reinbeker Weg auf der Karlshöhe.

„Lohnt sich denn dieser finanzielle Aufwand?“, fragte Kristin Thode (CDU), Vorsitzende des Bürgerausschusses, zu Beginn der Debatte noch. „So viele Besucher kommen doch gar nicht nach Wentorf.“ Die Verwaltung hatte drei Varianten vorgeschlagen, Kosten: von 4600 bis fast 30.000 Euro. Der Gemeindeanteil würde nach Zuschüssen auf bei 920 bis 11.200 Euro sinken.

Doch die CDU-Fraktionschefin war schnell überzeugt. Ursula Jonca (SPD), die an einer Arbeitsgruppe für das Konzept beteiligt war, erläuterte, dass diese historischen Themen auch über Wentorfs Grenzen hinaus Interesse fänden.

Wentorf wurde zum Ausflugsziel vieler Hamburger

Auf Lutz Helmrichs (CDU) Einwand, an einigen der Stationen sei überhaupt nichts mehr von den einst wichtigen Bauwerken zu sehen, sagte Kristof Jahn (Bürgerliches Mitglied für die FDP): „Gerade die Diskrepanz zu sehen, die dortige Entwicklung abzulesen, ist schon interessant. Deshalb ist die FDP unbedingt dafür, das Internet mit zu nutzen.“ Jan-Christoph Schultchen (SPD), der das Konzept mit entwickelt hat, erläuterte: „Das kann man diskutieren. Wir haben tatsächlich einen didaktischen Ansatz gewählt, gerade vor dem Gymnasium. Gerade Schüler sollten den Faschismus nicht ausblenden.“ Die Hoffnung sei, den Gymnasiasten auch den Blick für die Geschichte am eigenen Wohnort zu öffnen.


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Der Blick auf Wentorfs 800 Jahre Historie lohnt sich: Über Jahrhunderte war es ein kleines, landwirtschaftlich geprägtes Dorf. Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde es zunehmend zur Sommerfrische und zum Ausflugsziel der Hamburger. Einige Villen, die zu jener Zeit gebaut wurden, nutzten später Nazi-Organisationen. Die Nationalsozialistische Volkswirtschaft (NSV) brachte in ihnen ihre Einrichtungen unter.

Beliebter Wohnohrt des Hamburger Speckgürtels

Einen neuen Schub erfuhr die Gemeinde Mitte der 1930er-Jahre, als unter Hitler die militärische Aufrüstung in den Bau zahlreicher Kasernen mündete. Zwei entstanden in Wentorf.

Mit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Gemeinde zuerst Zufluchtsort vieler „displaced persons“. Überlebende deutscher Kriegsgefangenenlager und noch mehr ehemalige Zwangsarbeiter bevölkerten die beiden Kasernen. Von 1952 an dienten sie als Flüchtlingsdurchgangslager, eines, wenn nicht das größte in Deutschland: Bis 1960 wurden rund 160.000 Ostflüchtlinge und Vertriebene durch die Einrichtung geschleust. Danach nutzte die Bundeswehr die Kasernen und das 20 Hektar große Übungsgelände auf der Lohe. Heute ist die Gemeinde ein bevorzugter Wohnort des Hamburger Speckgürtels.

Projekt soll mit Fördermitteln finanziert werden

Das Konzept sieht 14 Stationen vor, die beschildert werden sollen: an der Golfstraße die Roger-Willemsen-Stiftung, das Haus Lichtenfels, das heutige Woods Art Institute, die Villa Miraflores (An der Hege), bis 1989 auch Wentorfs Rathaus, an der Hamburger Landstraße die Adler-stele der einstigen Bismarck-Kaserne sowie die „Alte Sechszehn“. Dazu die Turmhügelburg hinter der Straße Am Burgberg, Gymnasium, der Billewinkel zwischen Bille und Bahngleisen, Karlshöhe, die ehemaligen Kasernen, Alte Schule sowie das einstige Alte Zollhaus (Hamburger Landstraße), das früher an der Grenze zu Hamburg stand.

Zur Finanzierung setzt Wentorfs Politik auf eine Förderung der „AktivRegion Sieker Land Sachsenwald“, die Vorhaben mit bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten fördert. „Für ähnliche Projekte hat die AktivRegion Zuschüsse bewilligt“, betonte Bürgermeister Dirk Petersen.

16.000 Euro mit Sperrvermerk in den Haushalt eingestellt

Kristin Thode war jedoch nicht einverstanden mit dem Vorschlag, betroffene Eigentümer per Brief zu informieren. „Das ist – auch zu Corona-Zeiten – zu unpersönlich. Von diesem Projekt sind auch Persönlichkeitsrechte berührt.“ Sie schlug vor, alle Eigentümer anzuschreiben und zu einem Treffen einzuladen, bei dem der Sicherheitsabstand eingehalten werden kann.

Die Politik entschied sich schließlich für die Variante 1. Die nötigen 16.000 Euro werden mit Sperrvermerk in den Haushalt eingestellt. Die betroffenen Eigentümer werden im Spätherbst eingeladen, um ihnen das Konzept vorzustellen. Stimmt die AktivRegion der Förderung zu, muss die Gemeinde noch gut 3000 Euro finanzieren. Wenn alles klappt, könnten im Frühjahr 2021 die Alu-Tafeln aufgestellt werden. Eingebunden in das Projekt „Entdecker Routen“ von DigiKultur sollen QR-Codes die jeweiligen Schilder ergänzen.