Ahrensburg. Die Gewerkschaft der Polizei findet das Konzept gegen Einbruchskriminalität gut. Aber es fehle das Personal, um es auch umzusetzen.


Die einen sprechen von einem Erfolg, die anderen sind frustriert: Wenn es um die Bekämpfung von Einbruchskriminalität geht, gibt es derzeit im Land extrem unterschiedliche Sichtweisen der Beteiligten. Zunächst die Fakten: Die Zahl der Einbrüche in Schleswig-Holstein ist im vergangenem Jahr erneut gestiegen, die Aufklärungsquote gesunken – dennoch spricht die Regierung in Kiel von einem Erfolg: „Zahlreiche Festnahmen überregional und international tätiger Tatverdächtiger bestätigen die Wirksamkeit des Konzepts eindrucksvoll“, heißt es in einem Bericht. Zum Konzept gehört unter anderem die Einrichtung von Gefahrengebieten sowie speziellen Ermittlungsgruppen.

In Stormarn ist eine solche Sondereinheit in Reinbek angesiedelt. Auch hier sprechen die Beamten der verantwortlichen Polizeidirektion in Ratzeburg von einem Erfolg. Laut Sprecher Holger Meier gab es 2015 mehr Festnahmen in Stormarn als im Vorjahr. Unter anderem konnten Einbrecher mithilfe von DNA-, Schuhabdruck-Spuren oder Finderabdrücken überführt werden, so Meier.

Die Zahlen in Stormarn sind 2015 deutlich schlechter geworden

In der Statistik lassen sich die Erfolge der Polizei indes nicht ablesen. 2015 registrierte die Polizei in Schleswig-Holstein etwa 8600 Einbrüche, 2014 waren es rund 7500. Die Aufklärungsquote sank von rund zwölf auf zehn Prozent. Auch in Stormarn gab es 2015 mehr Einbrüche. 2014 zählte die Polizei 873 Taten, fünf Prozent der Einbrüche konnte sie aufklären. Allein bis Ende September 2015 erfassten die Beamten mehr als 800 Taten mit einer Aufklärungsquote von 7,5 Prozent.

Torsten Jäger Vorsitzender Gewerkschaft der Polizei Regionalgruppe Schleswig-Holstein Mitte
Torsten Jäger Vorsitzender Gewerkschaft der Polizei Regionalgruppe Schleswig-Holstein Mitte © privat | privat


„Bei diesen steigenden Einbruchszahlen und der geringen Aufklärungsquote von einem Erfolg zu sprechen, verbietet sich“, sagt Torsten Jäger von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Schleswig-Holstein. Zwar habe das Konzept gegen die Einbruchskriminalität viele gute und richtige Ansätze. Allerdings bringe ein gutes Konzept nichts, wenn das nötige Personal fehlt.

Ein Stormarner Polizist (Name der Redaktion bekannt) sagt: „Die Polizei ist mit ihrem Personal am Ende. Ohne die Unterstützung der Hamburger Soko Castle wäre vieles gar nicht gegangen.“ Kritik kommt auch aus der Opposition im Kieler Landtag: „Es ist schon ein Alarmsignal, wie viele Hilferufe uns erreichen. Die Beamten sind in Sorge, weil sie nur noch reagieren können“, sagt Daniel Günther, Fraktionschef der CDU. Er fordert von der Regierung, dass mehr Polizei auf die Straße kommt. Ferner stellte seine Fraktion erst vor wenigen Tagen einen Antrag, dass Wohnungseinbruchsdiebstähle in den Katalog schwerer Straftaten aufgenommen wird, damit eine Telefonüberwachung möglich ist.

Gewerkschafter Torsten Jäger: „Was nützen rechtliche Möglichkeiten, die aufgrund von Personalmangel nicht genutzt werden können.“ Auch die Regierungsfraktionen lehnten den Antrag ab, jedoch mit der Begründung, dass schon jetzt bei Bandendiebstählen eine derartige Überwachung möglich sei. Auch würden doppelt so viele Beamte auf der Straße laut Simone Lange, polizeipolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, die Zahl der Einbrüche nicht reduzieren oder die Aufklärungsquote verbessern. „Das ist ein Mythos“, so Lange, die sich dabei auf Studien bezieht.

Dennoch hat die Politik Ende 2015 reagiert. „Der Personalabbau von 122 Stellen ab 2018 wurde zurückgenommen. Es wurden im Gegenteil dieses Jahr 160 zusätzliche Stellen geschaffen“, sagt Burkhard Peters (Grüne). Aber es dauert drei Jahre, bis die Beamten ausgebildet sind. Deswegen gab es auch eine Änderung im Landesbeamtengesetz, mit der pensionierte Polizisten wieder in den Dienst zurückkehren können oder später in den Ruhestand gehen.

Innenminister Stefan Studt (SPD)
Innenminister Stefan Studt (SPD) © dpa | Carsten Rehder


Neben der personellen Aufstockung kündigt Innenminister Stefan Studt (SPD) ein härteres Vorgehen gegen Einbrecher an und meint insbesondere straffällige Zuwanderer. Denn von 221 Menschen, die 2015 bei Einbrüchen ins Visier der Ermittler geraten sind, waren 195 Ausländer. 135 davon stammen vom Balkan, 27 aus anderen osteuropäischen Staaten. 80 waren Asylsuchende beziehungsweise abgelehnte oder geduldete Flüchtlinge. „Einige Menschen kommen offenbar nicht vorrangig zu uns, um Hilfe zu suchen, sondern um Straftaten zu begehen“, sagt Studt und kritisiert, dass Ermittlern in vielfacher Hinsicht die Hände gebunden seien. „Selbst wer auf frischer Tat ertappt werde, bleibt zunächst häufig auf freiem Fuß“, sagt Studt. Bis zur Verurteilung vergingen oft Monate und in dieser Zeit würden häufig weitere Straftaten begangen. Deswegen will er enger mit Ausländerbehörden zusammenarbeiten, um Straftäter schneller abzuschieben. „Wir müssen diese Leute letztlich aus dem Land kriegen, sonst werden wir keine Ruhe haben.“ Auch der Stormarner Polizist bestätigt, dass er überwiegend Ausländer nach oder bei Einbrüchen festgenommen hat. Die Grünen bezeichnen indes die Diskussion, ob die Steigerung der Wohnungseinbrüche mit Asylsuchenden zu tun habe, als „völlig neben der Spur“, so Burkhard Peters. Er betont, dass 80 Asylbewerber lediglich 0,16 Prozent ausmachen, gemessen an den rund 50.000 Flüchtlingen in Schleswig-Holstein.

Für die Polizei ist es indes laut Torsten Jäger frustrierend, wenn sie Täter immer wieder fassen – ob Ausländer oder nicht. Der Gewerkschafter: „Polizisten arbeiten mit hohem Engagement, versuchen Straftaten zu verhindern und aufzuklären. Gelingt dies, gibt es sehr hohe Erwartungen an die Justiz, dass entsprechend konsequent sanktioniert wird.“ Der Polizist aus Stormarn hat da offenbar schon resigniert: „Wir sind mittlerweile an Aussagen wie ,schwere der Tat steht in keinem Verhältnis’, ,keine Haftgründe erkennbar’, ,keine Vorstrafen’ und so weiter gewöhnt.“

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