Wenn beim Hamburger Musikpreis Hans Künstler ausgezeichnet werden, sind sie in der Regel an der Elbe geboren oder hier schon ein halbes Leben lang zu Hause. Sophia Kennedy dagegen, die im vergangenen Herbst für ihre Debütplatte mit dem schlichten Titel „Sophia Kennedy“ als „Album des Jahres“ geehrt wurde, wurde vor 28 Jahren in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland geboren. Vor ein paar Jahren ist sie erst in die Hansestadt gezogen, um an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) Film zu studieren. Schnell kam sie in Kontakt mit Musikern aus der weit verzweigten Hamburger Szene.
Mit Carsten „Erobique“ Meyer, dem umtriebigen DJ, Musiker und Produzenten veröffentlichte sie 2013 den Song „Angel Lagoon“, auf Richard von der Schulenburgs Label it’ erschien die EP „Should Be A Holiday“, die sie als ein Teil des Duos Shari Vari herausgebracht hat. Und auch „Sophia Kennedy“ ist durch und durch Hamburg: Mense Reents, Musiker bei Die Vögel und bei den Goldenen Zitronen, nahm die Songs im Studio der Zitronen auf, erschienen ist die Platte dann auf Pampa Records, dem Label von DJ Koze.
Ein Jahr lang haben Kennedy und Reents an den Popsongs gebastelt. Die Arrangements sind ziemlich minimalistisch, doch in jedem Track findet sich ein überraschender Beat oder ein ungewöhnlicher Sample wie etwa eine geloopte Maultrommel. Die Atmosphäre ist überwiegend melancholisch bis düster, doch es gibt auch hellere Nummern wie das an die Beach Boys erinnernde „William By The Windowsill“.
Ihre Stimme erhebt sich in jedem Song über die Musik, sie spielt mit Sprache
Sophia Kennedy ist eine moderne
Romantikerin, deren Electro-Sounds
elegant und stilsicher klingen, wie man das zuletzt vor ein paar Jahren bei James Blake gehört hat. Aber Kennedys Songs sind verspielter als die ziemlich schnörkellosen Beats des jungen Briten.
Die Arrangements sind wichtiger Bestandteil ihrer Kompositionen, doch das Wichtigste ist die außergewöhnliche Stimme der Amerikanerin. Sie wird in den Mittelpunkt gestellt und erhebt sich in jedem Song über die begleitende Musik.
In ihren Texten spielt sie mit Sprache. „Ich habe musikalisch eine Idee,, und der Text wächst dann parallel mit“, sagt sie. Die Lyrik des Albums ist wortwitzig wie etwa die Zeile „Ich bin das Kaugummi, auf dem du kaust“ in dem ungewöhnlichen Liebeslied „Foam“. „Dizzy Izzy“ ist eine Sammlung schneller, assoziativer Wortreihen, das sie über ein Geigenriff mehr spricht als singt. Auch ihrer Heimatstadt Baltimore widmet sie ein sehnsuchtsvolles Lied. Jedes dieser drei Beispiele klingt völlig anders. Auch das ist eine große Qualität dieser herausragenden Songschreiberin.
Die Klang-Palette ihrer Songs ist von unermesslichem Reichtum, und ihre Stimme hat betörenden Charme. Hamburg kann froh sein, dass diese außergewöhnliche junge Künstlerin sich die Stadt an der Elbe ausgesucht hat und nicht nach Berlin gegangen ist wie so viele andere ausländische Künstler vor ihr.
Den Hans hat Sophia Kennedy mehr als verdient.