Bergedorf. Chorsänger sind gefrustet: Wegen der Coronakrise gibt es keine Proben und Konzerte.

Rund 400 Sänger singen in 19 Chören, die im Sängerkreis Vier- und Marschlande des Chorverbandes Hamburg organisiert sind – eigentlich. Denn in der Coronakrise sind gemeinsame Proben und Auftritte verboten. Auch gesellige Zusammentreffen in fröhlicher Runde, ein Klönschnack beim Bierchen oder einer Tasse Kaffee, Grillabende und Ausflüge, die sonst dazugehören und mindestens ebenso wichtig sind wie das Singen selbst, sind nicht möglich. Das ist besonders für die vielen älteren Chorsänger ein Problem. Denn im Gegensatz zu den jüngeren Sängern sind sie meist nicht besonders gut mit dem Internet vertraut, können also auch nicht online proben. „Für sie ist die soziale Gemeinschaft seit Monaten nicht mehr vorhanden“, sagt Marita Sannmann, seit 20 Jahren Vorsitzende des Sängerkreises Vier- und Marschlande.

Marita Sannmann ist mit vielen Chorsängern in Telefonkontakt, „andere treffe ich bei Spaziergängen“. Die 64-Jährige weiß, dass der Frust groß ist. Mit ihrem Chor, der Liedertafel Harmonia Ochsenwerder (22 Sängerinnen, zwei Sänger) wird normalerweise in der Aula der Schule Ochsenwerder geprobt. „Dort haben wir zwar viel Platz, aber selbst wenn die Bestimmungen gelockert würden, würde uns das nichts nützen: Wir können schließlich nicht mit Masken und eineinhalb Metern Mindestabstand zueinander singen“, sagt sie.

Proben frühestens wieder nach den Sommerferien

Elke Konert, die mit Marita Sannmann in der Liedertafel Harmonia singt, ärgert sich besonders über den Ausfall des Chorfestivals in Leipzig: „Unser ganzer Chor hatte sich schon sehr darauf gefreut“, sagt sie. „Als ältere Sängerin fürchte ich, dass ich nun gar nicht mehr daran teilnehmen kann, weil später vielleicht meine Gesundheit nicht mehr mitspielt.“

Marita Sannmann geht davon aus, dass Proben allerfrühestens nach den Sommerferien wieder erlaubt sein werden: „Für viele bisher noch nicht abgesagte Konzerte wird dann nicht genügend Zeit zur Vorbereitung sein.“ Sie fürchtet allerdings noch mehr, dass sich nach einer sehr langen Probenpause einige Sänger nicht wieder aufraffen könnten.

Chöre bezahlen ihre Leiter weiter

Die Chorleiter, meist Berufsmusiker, sind in der Regel auf ihre Honorare angewiesen. Sie verdienen ihr Haupteinkommen mit der Arbeit mit den Chören. Im Landgebiet können sie sich bisher auf eine große Solidarität verlassen: „So weit ich weiß, bezahlen alle 19 Chöre ihre Chorleiter weiter“, sagt Marita Sannmann. Ob dies weitere Monate so möglich ist, darf bezweifelt werden: Durch die Konzertausfälle entgehen vielen Chören dringend benötigte Einnahmen, die Vereinskassen leeren sich.

Die Sänger und ihre Chorleiter versuchen, das Beste aus der Situation zu machen: So verteilte Chorleiterin Angelika Balster CDs mit Liedern ihrer Chöre an die Sänger. Als „Zugabe“ waren darauf auch ein Sketch von Loriot und ein Lied von Helge Schneider zu hören.

Kurze Videos zum Mitsingen

Michael Georgi, der auch die Ochsenwerder Singspatzen leitet, wiederum greift zur Gitarre und nimmt mit seinem Sohn Florian (6) kurze Videos auf. Die Clips – Lieder zum Mitsingen – verschickt er an die Eltern der kleinen Chorsänger, die sie ihrem Nachwuchs vorspielen. Jüngere Sänger, die mit dem Internet bestens vertraut sind, proben – in kleiner Chorbesetzung – online, berichtet Marita Sannmann, „aber das ersetzt natürlich keine richtige Probe“.

Auf der Internetseite chorverband-hamburg.de finden gefrusteten Sänger kostenlose Angebote wie einen virtuellen Chor-Workshop zum Lesen von Noten.

Auf Youtube treffen sich immer dienstags, 20 bis 21 Uhr, Tausende Sänger. Bei dem einstündigen Livestream wird der Text der Lieder eingeblendet. „Die anderen Sänger sind allerdings nicht zu hören“, sagt Marita Sannmann. Sie hat das Online-Singen bereits mit ihrem Ehemann getestet. Weitere Infos auf der Internetseite der-norden-singt.de.