Kiel. “Heide-Mörder“ und Barschel-Affäre: Schleswig-Holstein ist für Politikspektakel berühmt. Mal sehen, was am morgigen Wahltag passiert.


Das ZDF hat den Kieler Plenarsaal zum TV-Studio umgebaut. Am Sonntag wird gesendet, was das Zeug hält: Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Die Machtübernahme im Parlament, Zentrum der demokratischen Meinungsbildung, liefert ein hübsches Bild: Macht jetzt etwa das Fernsehen die Politik?

Nein, so weit ist es natürlich nicht. Die Medien wollen spannende Geschichten erzählen. Und die haben sich bei Wahlen in Schleswig-Holstein oft genug abgespielt. Kein Wunder, dass am Sonntag rund 1000 Journalisten und Techniker das Landtagsgebäude an der Förde bevölkern werden.

Ministerpräsident Uwe Baschel (CDU) nach einer Sitzung der CDU-Landtagsfraktion am 15.09.1987
Ministerpräsident Uwe Baschel (CDU) nach einer Sitzung der CDU-Landtagsfraktion am 15.09.1987 © picture-alliance/ dpa | dpa Picture-Alliance / dpa

Einen überaus dramatischen Final-Abend lieferte das Land vor fast
40 Jahren ab. Bei der Landtagswahl im April 1979 zitterte sich der damalige CDU-Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg zu einem hauchdünnen Sieg. Am Ende fehlten der oppositionellen SPD nur 1169 Stimmen, um gemeinsam mit der FDP die regierenden Christdemokraten stürzen zu können. Immer wieder ergaben an diesem Abend die Hochrechnungen andere Mehrheitsverhältnisse. Mal lagen SPD und FDP vorn, mal ergab sich ein Patt, bei dem der SSW-Abgeordnete Karl Otto Meyer das Zünglein an der Waage hätte sein können. Und zwischendurch musste Meyer auch selbst um seinen Einzug ins Parlament bangen.

"Nur Verlierer in Bonn"

Am Ende lautete das Ergebnis: Vier weitere Regierungsjahre für die CDU. Unter der Überschrift „Nur Verlierer in Bonn“ schrieb der „Spiegel“ damals: „Die Landtagswahl von Schleswig-Holstein hat in Bonn nichts geklärt, wohl aber die Führer von Regierung und Opposition verunsichert: CDU-Chef Kohl bleibt die Symbolfigur für den Niedergang der Union, Kanzler Schmidt und sein Partner Genscher müssen sich auf neue Konflikte mit den Linken in SPD und FDP einrichten.“

Die Barschel-Affäre

Acht Jahre später folgte der Sonntag, der vermutlich noch sehr lange die Liste der geschichtenträchtigsten Wahlsonntage anführen wird. Der 13. September 1987 markierte den Ausgangspunkt der Barschel-Affäre. Wenige Tage zuvor hatte der „Spiegel“ über die umstrittene Wahlkampfführung des CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel berichtet. Das Wahlergebnis brachte ein Patt: Die CDU verlor stark und kam zusammen mit der FDP auf 37 Landtagmandate. Die SPD wurde erstmals seit 1958 stärkste Kraft im Landtag. Sie stellte 36 Abgeordnete, zusammen mit dem SSW-Abgeordneten Karl Otto Meyer waren es 37 Sitze.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg (CDU) am 9. Juni 1978
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg (CDU) am 9. Juni 1978 © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Pfeiffer

Die Affäre um Uwe Barschel spitzte sich zu. Am 2. Oktober 1987 trat er zurück, in der Nacht zum 11. Oktober 1987 starb er in Genf. Der Landtag blieb handlungsunfähig. Der SSW-Mann Meyer weigerte sich, für einen CDU-Ministerpräsidenten-Kandidaten zu stimmen. Im Mai 1988 gab es Neuwahlen. Die SPD unter Björn Engholm siegte mit 54,8 Prozent – ein Wert, den die Partei nie zuvor erreicht hatte und niemals danach erreichen sollte.

Wahlkrimi der Grünen

Am 5. April 1992 folgte ein Wahlkrimi für die Grünen. Bis dahin hatten sie bei Landtagswahlen keine Rolle gespielt. Nun aber kratzten sie an der Fünf-Prozent-Marke. Als der Landeswahlleiter am Sonntag gegen 22 Uhr das vorläufige amtliche Endergebnis bekannt gab, kam die Ökopartei auf exakt fünf Prozent. „Engholm, wir kommen“, rief die Spitzenkandidatin Irene Fröhlich fröhlich – und freute sich auf die erste rot-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein. Aber sie konnte sich nur gut anderthalb Stunden freuen. Dann musste der Landeswahlleiter eingestehen, dass „die Computer“ das Ergebnis der Grünen fälschlicherweise „aufgerundet“ hätten. Der Partei fehlten am Ende 397 Stimmen zum Einzug ins Parlament.

Wer ist der "Heide-Mörder?"

2005 folgte das Jahr des doppelten Scheiterns. Erst waren es die Schwarzen, dann die Roten. CDU und FDP lagen am Wahlabend lange Zeit knapp vorn, dann kippte es: Heide Simonis, die SPD-Spitzenkandidatin, hatte plötzlich eine Machtoption. SPD und Grüne, toleriert vom SSW, stellten die Regierungsmehrheit. Doch am Tag der Ministerpräsidentenwahl im März scheiterte Simonis: Vier Wahlgänge, in keinem kam sie auf die erforderliche Stimmenzahl. Der „Heide-Mörder“, nach dem immer noch gefahndet wird, verhinderte es.

So schlimm wird es an diesem Sonntag nicht werden. Die Spannung ist dennoch groß. Auf Meinungsumfragen war zuletzt wenig Verlass. Scheitert die Küstenkoalition, oder wird sie bestätigt? Werden die AfD und die Linken in den Landtag kommen? Oder scheitern beide? 1000 Journalisten hoffen, dass Schleswig-Holstein spannende Geschichten liefert.