Ochsenwerder. Die Atair war der Traum von Diether Berggold. Noch zu Lebzeiten gab er das Schiff auf. Und auch lange nach seinem Tod währt ein Rechtsstreit.
Birken wachsen aus dem vermoderten Deck, von innen fault das Holz: Das Wrack des ehemaligen Forschungsschiffs „Atair“ beschäftigt die Juristen. Vor 24 Jahren strandete der Kahn zwischen Fliederbüschen und Bäumen auf einer Streuobstwiese am Hafen Oortkaten. Das Grundstück vor dem Werftgelände gehört der ehemaligen Chefin der einstigen SSB-Werft, die dort auch wohnt. Sie würde das marode Schiff gern loswerden, will aber nicht die Kosten für die Entsorgung bezahlen – etwa 30.000 Euro.
Atair kann aus dem Schiffsregister erst gelöscht werden, wenn sie verschrottet ist
Seit einigen Jahren, seit Diether Berggold, letzter Eigner der „Atair“, tot ist, korrespondiere die Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte, mit einem bayerischen Amtsgericht. Berggolds Erben sollen das Erbe ausgeschlagen haben. „Die wollen, dass ich die Kosten für das Verschrotten übernehme, aber das mache ich nicht.“ Vor zwei Jahren habe das Gericht einen Gutachter entsandt, um das rund 24 Meter lange und 6,40 Meter breite Schiff in Augenschein zu nehmen. „Es kann im Seeschiffregister erst gelöscht werden, nachdem es verschrottet worden ist“, sagt die Frau, die von der Angelegenheit mittlerweile schwer genervt ist, und fügt hinzu: „irgendwann fällt es zusammen.“
Schon zu Lebzeiten, hatte er das Schiff längst aufgegeben
Die „Atair“ war einst der große Traum von Diether Berggold. Doch der hat ihn zu Lebzeiten längst aufgegeben. Die Geschichte der „Atair“ ist lang: 1942 in Swinemünde auf Kiel gelegt, war das Schiff 1943 für die Deutsche Kriegsmarine in Norwegen, Dänemark und Frankreich im Einsatz – anfangs als Kriegsfischkutter, dann als U-Boot-Jäger. Nach dem Krieg fuhr der knapp 80 Bruttoregistertonnen große Kahn bis 1962 für das Deutsche Hydrographische Institut. In den 70er-Jahren wurde die „Atair“ ausgemustert und nach Bremen verkauft.
Auf der Suche nach einem Liegeplatz wurde der Bayer am Oortkatenufer fündig
Bis Diether Berggold, damals 57 Jahre alt, das Schiff 1995 kaufte, rostete es bereits seit zehn Jahren vor sich hin, hatte es dreimal den Namen gewechselt, hieß „Dinslaken“, „Georg“ und „Motivation“. Der Kapitän mit Patent für mittlere Fahrt hat das Schiff auf einer Werft am Veringkanal entdeckt und einem Hamburger, der es ursprünglich zum Wohnschiff umbauen wollte, für 18.000 Mark abgekauft. Auf der Suche nach einem Liegeplatz wurde er in Ochsenwerder fündig. Der damalige Werfteigner Werner Grube bot dem Mann, der vorübergehend in Harburg wohnte, einen Liegeplatz und technische Hilfe an.
Sie sollte bis in die Karibik reisen und blieb in Ochsenwerder
Der Mann vom bayerischen Ammersee nahm die Hilfe im Frühjahr 1996 an. Er gab dem Schiff den alten Namen zurück, wollte mit der„Atair“ in die Karibik und zum Roten Meer reisen. Berggold investierte viel Geld und Arbeit in die „alte Schrottmühle“, wie er den Kahn liebevoll nannte. Doch die Instandsetzung des Schiffes mit schwerem Maschinenschaden wurde von dem Bayer und seinen Freunden nie beendet: Berggolds Traum platzte, als seine jüngere Frau ihn verließ. „Sie ist mit 200.000 Euro verschwunden“, sagte der Mann damals. Wegen des Ehedramas musste er auch sein Elternhaus verkaufen.
In diesem Jahr wird eine neue „Atair“ vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Dienst gestellt, das vierte Schiff dieser Art. Es ist ungefähr dreimal so groß wie die erste „Atair“, die auf der Wiese in Ochsenwerder vergammelt.