Hamburg. Es ist richtig, dass die Schulen in Hamburg schrittweise wieder öffnen. Viele Jugendliche brauchen die direkte Ansprache des Lehrers.

Seit einem Jahr hat diese Pandemie die Welt und auch die Stadt im Griff. Viel spricht dafür, dass jetzt die entscheidende Phase im Kampf gegen Corona vor uns liegt – trotz aller Entbehrungen der zurückliegenden Monate. Die Zahl der Neuinfektionen steigt in beunruhigendem Maße an, und es ist nicht abschätzbar, wie stark sich die neuen Mutationen des Virus ausbreiten werden.

Und doch gibt es Anlass zur Hoffnung: Die Durchimpfung der Bevölkerung schreitet nach dem desaströs-skandalösen Start wegen des fehlenden Impfstoffs voran. Die nun endlich verfügbaren, sehr praktikablen Selbst-Schnelltests können das Risiko einer Ausbreitung der Infektionen verringern.

Langzeitfolgen drohen

Darf man in dieser „fragilen Lage“, wie Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) sagt, die Schulen nach den Monaten des Distanzunterrichts wieder öffnen, wenn auch nur schrittweise? Unter Abwägung aller Risiken lautet die Antwort Ja. Denn: Zu den nicht unbeträchtlichen, aber derzeit kaum abzuschätzenden Risiken zählen nicht zuletzt die Langzeitfolgen, die Kindern und Jugendlichen durch die wochenlange „Isolation“ zu Hause drohen.

Dabei stehen für viele besorgte Eltern vor allem die Lerndefizite im Vordergrund, die der Ausfall des regulären Schulunterrichts mit sich bringen kann. Auch wenn vieles inzwischen besser läuft – auch dank des Einsatzes engagierter Lehrer –, so haben doch der extrem holprige Start des Distanzunterrichts, die zunächst oft mangelhafte IT-Ausstattung und die zahlreichen Systemabstürze der digitalen Technik zu einem Rückschlag hinsichtlich des Vertrauens in die Leistungsfähigkeit des Schulsystems geführt.

Lockdown an Schulen wird das soziale Ungleichgewicht vergrößern

Und: Nicht jeder Schüler, nicht jede Schülerin kommt mit dem Distanzlernen gut klar, viele, besonders die sehr jungen, brauchen die Nähe und direkte Ansprache des Lehrers.

Hinzu kommt, dass der Lockdown an Schulen das soziale Ungleichgewicht vergrößern wird. Diejenigen, denen die Eltern zu Hause nicht helfen können, die kein eigenes Zimmer zum Lernen haben, sind von der Pandemie besonders benachteiligt. Das läuft dem pädagogischen Anspruch von Lehrerinnen und Lehrern zu Recht diametral entgegen.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Letztlich geht es aber nicht nur um das Lernen zur Anhäufung von Wissen und Kompetenzen im strengen Sinne. Schule ist auch ein sozialer Ort. Für junge Menschen ist das Zusammensein mit Gleichaltrigen besonders wichtig. Schule will aber auch eine Einstellung zum Leben vermitteln, zur Reife in einem umfassenden Sinn betragen. Das geht nur in Gemeinschaft mit anderen, auch wenn das manchmal Abgrenzung bedeutet.

Überzeugendes Anti-Corona-Sicherheitskonzept ist nötig

Voraussetzung für den ersten Schritt zurück in die schulische Normalität ist ein überzeugendes Anti-Corona-Sicherheitskonzept. Ohne den massenhaften Einsatz von Selbst-Schnelltests, die regelmäßig zum Einsatz kommen müssen, wäre die Rückkehr der Kinder und Jugendlichen in die Klassenräume gerade angesichts der Mutationen nicht gut zu vertreten. Hamburg will bei der Beschaffung der Selbsttests nicht kleckern, sondern klotzen. Gut so.

Wenn in zwei Wochen der Schulbetrieb wieder anläuft, müssen der organisatorische Rahmen stehen und die Tests in den Schulen vorhanden sein. Ein wenig wundert angesichts der dynamischen Pandemielage die Leichtfertigkeit, mit der andere Länder ihre Schulen schon wieder geöffnet haben, ohne dass Selbsttests schon vorhanden waren.

Alles in allem verfolgt der rot-grüne Senat einen behutsamen Wiedereinstieg in die schulische Normalität. Das Vorgehen hebt sich wohltuend ab von dem starren Festhalten am kompletten Präsenzunterricht im Herbst, als die Infektionszahlen deutlich anstiegen.