Hamburg. Die Kapazitätsgrenze ist zumindest an schönen Tagen erreicht. Nötig sind Regeln für ein verträgliches Miteinander.

Eigentlich eine tolle Sache, dass die Hamburger ihre Alster in der Corona-Pandemie als Freizeitpark und Badesee vor der Haustür ganz neu für sich entdeckt haben. Sobald die Temperaturen über 20 Grad steigen, stechen sie mit allem in See, was halbwegs schwimmt – ob Segel- oder Ruderboot, Kanu oder Stand-up-Paddling-Brett. Immer häufiger springen sie aber auch gleich selbst ins Wasser.

Kuriosität am Rande: Schlauchboote und aufblasbare Badeinseln waren früher praktisch nie auf diesem Gewässer im Herzen der Stadt zu sehen – doch wie auf Kommando scheint sich mittlerweile gefühlt jeder zweite Hamburger unter 30 Jahren ein solches zugelegt zu haben. Die grau-blauen Plastikboote einer bestimmten Marke haben den Alsterdampfern und eleganten Drachen zumindest zahlenmäßig den Rang abgelaufen.

Kapazitätsgrenze ist erreicht

Die Alster ganz demokratisch für alle: Das soll und muss so bleiben. Gerade in der Corona-Pandemie bieten Erholung, Sport und – ja, auch – Feiern im Freien einen vergleichsweise guten Schutz vor Ansteckung. Und die grün geführte Umweltbehörde will da kein Spielverderber sein.

Aber das Nebeneinander der vielen, vielen Alster-Nutzer droht aus dem Ruder zu laufen. Die Kapazitätsgrenze ist zumindest an schönen Tagen erreicht, und gerade die Neulinge auf dem Wasser kennen sich nicht gut mit den Verkehrsregeln aus. Das haben die Fraktionen von SPD und Grünen bereits im vergangenen Jahr erkannt und den Senat beauftragt, im Gespräch mit allen Beteiligten Lösungen zu entwickeln, um weiterhin die aktive Freizeitnutzung der Gewässer im „Einklang mit den Anforderungen von Artenschutz, Naturschutz und Lärmschutz zu ermöglichen“.

Es fehlt nicht an Mahnungen

Auch sollten Baden und Brückensprünge dort, wo auch Alsterschiffe unterwegs sind, unterbunden werden. Nur: Dieser großen Ankündigung folgten bislang so gut wie keine Konsequenzen. Ja, es gab einen Runden Tisch – aber neue Regeln gibt es nicht.

Dabei fehlt es nicht an Mahnungen. Schon im vergangenen Jahr schlugen die Schiffsführer der Alsterdampfer Alarm. Auch die Wasserschutzpolizei hat an warmen Tagen alle Hände voll zu tun. Wie gefährlich die Situation schnell werden kann, weiß auch Rudertrainer Christian Dahlke, der fast täglich auf der Alster unterwegs ist. Gerade aus den vergleichsweise niedrigen Ruderbooten sind beispielsweise die Köpfe von Schwimmern schlecht zu sehen. Dahlke sorgt sich, dass es bald Tote geben könnte, wenn nichts unternommen wird.

Es geht nicht um mehr Bürokratie

Dabei geht es nicht um mehr Bürokratie oder Regulierungen dort, wo diese nicht nötig sind. Sondern darum, bessere Regeln für ein verträgliches Miteinander aufzustellen. Wenn jetzt zwei SPD-Bürgerschaftsabgeordnete gemeinsam mit Rudertrainer Dahlke Vorschläge auf den Tisch legen, die der grün geführten Umweltbehörde als „Hilfestellung“ dienen sollen, dann darf man das wohl getrost auch so verstehen, dass sie dem Koalitionspartner Druck machen wollen. Die Grünen, die bei Kritikern den Ruf einer Verbotspartei haben, setzen in diesem Fall auf Appelle und eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Motto: „Behandle Hamburg wie dein Wohnzimmer.“

Doch das reicht nicht aus. Was spricht gegen mit Bojen abgezirkelte Bahnen für die Ruderer auf der Westseite der Außenalster? Dort hätten Schwimmer dann nichts zu suchen. Warum nicht kleine Stege bauen, auf denen die Hamburgerinnen und Hamburger ihre Schlauchboote und SUP-Bretter zu Wasser lassen können, ohne die Biotope am Uferrand zu zerstören – und zwar dort, wo die Ausflügler den sonstigen Schiffsverkehr möglichst wenig behindern? Runde Tische in allen Ehren: Auf der Alster sollte jetzt zügig gehandelt werden