Hamburg. Die Fans haben erkannt, dass im Volkspark eine Mannschaft spielt, die bis zum Ende alles gibt. Das sollte der Club nicht gefährden.

Timo Horn musste etwas loswerden. Der ehemalige Vorsitzende der HSV-Supporters machte am Mittwoch seine Gefühle öffentlich. Auf Facebook schrieb Horn über den bevorstehenden Spieltag: „Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt so eine Vorfreude auf das Saison­finale gespürt habe. Wir haben endlich wieder eine Mannschaft, die zusammen mit dem Trainer ein echtes Team ist, die alles gibt, die kämpft und fetzt.“ Seinen Beitrag beendete Horn mit den Worten, die am vergangenen Sonnabend beim Heimspiel gegen Hannover 96 auch auf einem großen Transparent zu lesen waren: „Konstanz statt Umbruch“.

Der HSV-Anhänger hatte in der Fanszene damit einen Nerv getroffen. In welchen Foren und Kommentarspalten man aktuell auch liest: Die Leute haben wieder Lust auf den HSV. Viele suchen verzweifelt Karten für das ausverkaufte Auswärtsspiel am Sonntag bei Hansa Rostock. Läuft alles für die Hamburger, könnte im Ostsee-Stadion sogar die langersehnte Rückkehr in die Bundesliga gefeiert werden – auch wenn dieses Szenario das unwahrscheinlichste von vielen möglichen Saisonausgängen ist.

Die neue HSV-Lust – Fans honorieren Entwicklung

Unabhängig davon, auf welchem Platz der HSV seine vierte Zweitligasaison beendet, lassen sich schon jetzt einige Lehren aus dem bisherigen Verlauf ziehen. Da wäre zunächst einmal Trainer Tim Walter zu nennen, dem es gelungen ist, eine widerstandsfähige und geschlossene Mannschaft zu entwickeln. Das haben auch die Fans honoriert. Sie haben gesehen, wie sich die Spieler in den vergangenen Wochen gewehrt haben, wie sie bis zum Ende immer alles versucht haben. Und genau das war in den vergangenen drei Jahren nicht der Fall. Da scheiterte der HSV wechselweise an den eigenen Nerven, an eigenen Eitelkeiten, persönlichen Interessen oder fehlender Gegenwehr, wenn es darauf ankam.

Walters größtes Verdienst ist es, diese Tradition des Scheiterns zu durchbrechen. Man kann dem 47-Jährigen sicherlich Sturheit in seiner taktischen Ausrichtung vorwerfen. Man muss aber eben auch seinen Mut und seine Überzeugung loben, die sich auf die Mannschaft übertragen hat. Natürlich macht auch der Trainer Fehler – so wie sie jeder Trainer macht. Doch es scheint sich auszuzahlen, dass Sportvorstand Jonas Boldt in den vergangenen Wochen eine Trainerdiskussion gar nicht erst aufkommen ließ, als die Ergebnisse fehlten. Walter ist aktuell in einer so starken Position wie noch kein HSV-Trainer vor ihm zu diesem Zeitpunkt einer Zweitligasaison.

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HSV hat in manchen Punkten dazugelernt

Zugegeben, die Gegner des HSV der vergangenen Wochen waren nicht der Maßstab, um daraus alle Erkenntnisse und Entscheidungen für die Zukunft abzuleiten. Aber es waren eben in den vergangenen Jahren auch immer wieder genau diese Spiele gegen Mannschaften wie Regensburg oder Ingolstadt, in denen der HSV zuverlässig versagte, weil er sich größer sah, als er es noch ist. Dem aktu­ellen Team kann man diesen Vorwurf jedenfalls nicht machen.

Doch der HSV wäre nicht der HSV, wenn er sich nicht auch in dieser Phase einmal mehr mit internen Positionskämpfen und machtpolitischem Gerangel beschäftigen würde. Wer die Zwischentöne in Gesprächen mit den Verantwortlichen im Volkspark hört, kann sich kaum vorstellen, dass die HSV-Führung auch in der kommenden Saison in der gleichen Konstellation zusammenarbeitet. Und das unabhängig davon, ob der Club nach dieser Saison die womöglich größte Party seit dem bislang letzten Titel im DFB-Pokal 1987 feiern könnte.

HSV sollte die neue Lust nicht gefährden

Die Fans haben zu diesen HSV-typischen Verhaltensmustern in jedem Fall eine klare Haltung. Sie haben keine Lust mehr auf neue Machtkämpfe, erneute Umbrüche und neue Hoffnungsträger, die ihnen Jahr für Jahr präsentiert werden. Sie wollen ins Stadion gehen und Spieler sehen wie den seit Mittwoch leider schwer verletzten Anssi Suhonen, die Spaß am Fußball versprühen und bis zum Ende alles geben. Dann verzeihen die Fans auch Fehlpässe, vergebene Torchancen oder verpasste Aufstiege.

Die Clubführung sollte nicht riskieren, diese neue Lust auf den HSV durch Eigeninteressen wieder zu gefährden.