Scharbeutz. Die Internetseite der Lübecker Bucht informiert Tagesgäste über die Auslastung – und soll bald noch mehr können.
Die Lübecker Bucht gehört zu den beliebtesten Regionen an der Ostsee. An der 55 Kilometer langen Küste zwischen Travemünde und Dahme liegen mit Scharbeutz, Timmendorfer Strand und Grömitz gleich mehrere Seebäder, die bei gutem Wetter Besucher in Scharen anziehen – und deren Strände dann gerappelt voll sind. Das hat gerade im vergangenen Jahr wegen der coronabedingten Abstandsregelung zu Problemen geführt: Parkplätze wurden gesperrt und eine Strandampel eingeführt, die die Strandzugänge via Handy regeln sollte. Doch es gab auch Kritik: Menschen ohne Smartphone würden komplett von einer Strandnutzung ausgeschlossen hieß es. Zudem gab es Datenschutzbedenken.
Das war die Stunde von Paul Stellmacher. Der stellvertretende Chef der Tourismus-Agentur Lübecker Bucht ist gleichzeitig Leiter des Online-Marketings. Er hatte bereits mit dem „Lübecker Bucht Guide“ ein Informationsportal für die gesamte Region entwickelt, das den gesamten Bereich entlang der Küste abdeckt. „Hier bilden wir alle ,points of interest‘ ab: von der Ostseetherme über den Hansapark bis zum Briefkasten“, sagt Stellmacher. Mit dem Strandticker hat er das Angebot im vergangenen Jahr spontan erweitert.
Informationen liefern vor allem die lokalen Strandkorbvermieter
Er richtet sich vor allem an Tagesgäste, die sich bereits vor der Abfahrt zu Hause unter www.strandticker.de Angaben zur aktuellen Auslastung der Strände in Niendorf, Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Haffkrug, Sierksdorf, Neustadt in Holstein, Pelzerhaken, Rettin und Grömitz finden. Mit einem einfach verständlichen Ampelsystem wird farblich dargestellt, wo ein Strandzugang uneingeschränkt (grün), nur noch eingeschränkt (gelb) oder gar nicht mehr möglich ist (rot).
Lesen Sie auch:
- Ostsee und Nordsee: Zehn Tipps für schöne Wanderungen an den Küsten
Die Informationen dazu liefern vor allem die lokalen Strandkorbvermieter, die mehrmals am Tag melden, wie ausgelastet ihre Strandabschnitten sind und wie sie die Entwicklung des Besucherkommens einschätzen. Diese Informationen werden dann von Mitarbeitern der Tourismus-Agentur in den Strandticker eingepflegt und bis zu viermal pro Tag aktualisiert, wobei die einzelnen Strandabschnitte kleinteilig aufgezeigt werden – denn ist ein Bereich überfüllt, kann es 100 Meter weiter noch Kapazitäten geben. Gleichzeitig erhalten die Gäste Informationen zu Stränden, die weniger stark besucht sind.
Der Strandticker hat den Nerv der Zeit getroffen
In diesem Jahr ist neu, dass der Strandticker auch die Beflaggung an den DLRG-überwachten Stränden anzeigt. Die kann lokal sehr unterschiedlich sein, was insbesondere für Eltern von Kindern interessant sein dürfte, die noch nicht sicher schwimmen können.
Stellmacher nennt den Strandticker ein „neues Produkt, dass hier keiner erwartet hat“. Und das hat den Nerv der Zeit getroffen: Zwischen Juni und Oktober 2020 haben 42.000 Menschen den Strandticker angeklickt und dort knapp vier Millionen Seitenaufrufe getätigt. Im August 2020 griffen teilweise mehr als 2000 Menschen gleichzeitig zu.
Ein mit dem Strandticker vergleichbares, so detailliertes und von den Nutzern akzeptiertes System gebe es in Deutschland sonst nicht, sagt Stellmacher. Und wohl auch sonst nicht so oft. Mittlerweile spricht der 42-Jährige, der BWL und Informatik studiert und zuletzt bei Air Berlin den Pauschaltourismus betreut hat, auf Online-Fachkonferenzen, die teilweise bis nach Israel übertragen werden. Gleich nach dem Abendblatt-Gespräch steht ein Vortrag für Studenten der International University in München an und danach ein Kongressbesuch in Hamburg.
Tourismusverband ist begeistert
Sogar der Deutsche Tourismusverband hat die Entwicklung des Strandtickers gewürdigt: Gleich zweimal wurde die Tourismus-Agentur Lübecker Bucht im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Tourismuspreis ausgezeichnet. Den Preis teilen sich die Lübecker Tourismus-Experten mit den Kollegen aus St. Peter Ording. „Weil es bei der Auslobung auch um die Vernetzung von Ferienregionen ging, haben wir uns gemeinsam beworben“, so Stellmacher. Denn der Nordseeort habe zwar genügend Platz, um die Besucher am sehr breiten Sandstrand unterzubringen, regle aber mit einem dem Strandticker ähnlichen System den Zulauf auf der Promenade.
Es könnten noch weitere Preise winken, denn Stellmacher und sein Team sind bereits dabei, den Strandticker zu erweitern. „Wir wollen mehrere Daten sammeln und daraus Prognosen erstellen, die für die Besucher hilfreich sind“, sagt er. So sollen die Besucherzahlen, die in Scharbeutz übrigens per Sensor gemessen werden, mit Wettervorhersagen, Ferienzeiten oder Fußballübertragungen kombiniert und ausgewertet werden. „Ziel ist, den Gästen Alternativen aufzuzeigen – und ihnen statt zum Strandbesuch lieber zu einer Fahrradtour zur Bräutigamseiche in Eutin zu raten.“
Thema Mobilität soll im Strandticker bald eine größere Rolle spielen
Auch das Thema Mobilität soll im Strandticker bald eine größere Rolle spielen. Schon jetzt wird in manchen Orten testweise das Mobilitätsprojekt „Just explore Lübecker Bucht“ durchgeführt, bei dem die Besucher aus einer Vielzahl von Elektrofahrzeugen entweder Roller, Autos oder Lastenräder zum Mieten auswählen können. „Perspektivisch wollen wir vermitteln, dass unsere Gäste bei uns emissionsfrei unterwegs sein können und ihnen dafür ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung stehen“, sagt Stellmacher. Idealerweise wüssten die Besucher bereits, dass sie sich mit Mietfahrzeugen zuverlässig von Ort zu Ort bewegen könnten, und würden mit der Bahn anreisen.
Und wie lautet sein persönlicher Tipp, wenn die Strandampel in Scharbeutz mal auf rot steht? Paul Stellmacher muss nicht lange überlegen: „Sierksdorf! Das ist eine Ostseeperle, die noch unentdeckt ist – mit natürlichen Stränden, an denen es viel Platz gibt.“ Er selber wohnt dort – wieder – in seinem Elternhaus.
Das Magazin "Nord? Ost? See!"
Mehr Tipps und Geschichten zum Thema finden Sie im neuen Abendblatt-Magazin: „Nord? Ost? See!“, 108 Seiten mit mehr als 100 Tipps, für 9 Euro (Treuepreis über das Abendblatt 7 Euro).
Erhältlich: Hamburger Abendblatt Geschäftsstelle über click&collect, Buch- und Zeitschriftenhandel, abendblatt.de/shop, amazon