Bad Segeberg. Wegen Corona fällt die Veranstaltung aus. Zu erleben gibt es sie trotzdem als Live-Hörspiel. Ein Besuch bei den Geräuschemachern.
Obwohl die Karl-May-Spiele 2021 in Bad Segeberg coronabedingt ausfallen, müssen Fans und Touristen nicht auf spannende Geschichten um Winnetou und Old Shatterhand verzichten. Sie müssen lediglich einen anderen Sinn intensiver aktivieren: die Ohren. Denn die Kalkberg AG hat aus der Not eine Tugend gemacht und umgesattelt: Es gibt mit dem Live-Hörspiel „Winnetou – Das Gold der Rocky Mountains“ von Michael Stamp nun Kopfkino statt wilde Reit-Spektakel im Kalkberg-Rund. Damit das gut funktioniert, stehen bei den Vorstellungen seit dem vergangenen Donnerstag auch zwei Geräuschemacher auf der Bühne. Die sind ausgestattet mit rund 50 verschiedenen Utensilien zum Krachmachen, für die leisen Töne und für die Hintergrundgeräusche.
Die Schauspieler Patrick L. Schmitz und Marc Francisco stehen also inmitten von Gläsern, Flaschen, einer Wanne mit Wasser, einem alten Wagenheber, Kokosnüssen, Holzplatten mit Sand und Kies und vielen Mikrofonen. Damit imitieren sie beispielsweise Dampfloks, Schießereien, Pferdegetrappel und Salon-Geräusche. Die meisten Gegenstände hat das Team von befreundeten Geräuschemachern ausgeliehen. „Einige haben wir aber auch neu gesucht.
Aufführungen gibt es bis zum 18. Juli
Das Schneiden von Fesseln zum Beispiel“, sagte Schmitz. Zum Testen hätten sie die Tonaufnahmen in die Chatgruppe des Teams geschickt. Was gut ankam, wurde ins Live-Hörspiel übernommen. Die Aufführungen gibt es bis zum 18. Juli, jeweils donnerstags bis sonntags, und im Anschluss dann unregelmäßiger.
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Auf seinem Tisch liegen ein Zollstock mit eingeklemmten Luftballons, eine rote Bürste, eine Holzpfeife und Kokosnusshälften. Mit dieser wilden Mischung macht Schmitz Geräusche. Zwar stehen auch sieben Schauspieler auf der Bühne, doch im Mittelpunkt steht die Geschichte zum Hören. Entsprechend wichtig ist die Arbeit von Schmitz, der nicht nur zusammen mit Marc Franciso die Geräusche macht, sondern auch in sieben Rollen schlüpft.
„Im Hörspiel geht alles“
Drehbuchautor und Regisseur Michael Stamp hatte zuvor schon 22 Stücke für die Karl-May-Spiele geschrieben. Dass er mal ein Hörspiel für das Freilichttheater verfassen würde, hätte er eher nicht gedacht. Dennoch ging es ihm leicht von der Hand. „Winnetou – Das Gold der Rocky Mountains“ basiert auf dem Karl-May-Roman „Weihnacht“. Das Drehbuch für das Live-Hörspiel sei deutlich kompakter als seine Drehbücher für die Arena. Sonst muss viel Text die Zeit überbrücken, bis die Schauspieler auf ihre Pferde gestiegen oder am neuen Szenenort angekommen sind.
Dafür sind gleichzeitig noch wildere Abenteuer möglich. „Im Hörspiel geht eben alles. Ob der Kampf auf einem Mississipi-Dampfer oder das Springen auf fahrende Züge. Das nutzen wir schamlos aus“, erzählt Stamp. Um die Zuschauer auch als Zuhörer auf diese Reise mitnehmen zu können, sind die Geräusche umso wichtiger.
Etwa 200 Geräusche werden digital eingespielt
Klar, das Dampfen der Lok, das Reiten der Pferde und das Knallen der Gewehre könnten auch einfach vom Band eingespielt werden. Und zum Teil wird es das auch. „Das Wiehern der Pferde können wir hier gar nicht so gut machen. Außerdem müsste Patrick das dann auch machen, während er gerade eine andere Rolle spielt. Und das kann schnell albern werden. Das Hörspiel soll ja keine Parodie sein“, so Stamp.
Also werden etwa 200 Geräusche digital eingespielt. Weitere rund 140 Geräusche dagegen müssen Schmitz und Francisco live und sekundengenau auf der Bühne erzeugen. Dabei muss im wahrsten Sinne des Wortes jeder Schuss sitzen. Ihr Einsatz ist im Drehbuch vermerkt wie der aller Schauspieler.
50 Utensilien liegen für die passenden Geräusche bereit
Rund 50 Utensilien liegen dafür vor dem Salon des Indian Village auf und unter einem alten Holztisch neben der Bühne. Von einer Wanne voll mit Wasser über Gläser und Flaschen und kleinen Revolvern bis hin zu einem Karton voll mit Musik- und Videokassetten-Bandsalat. „Damit sorgen wir für das Rascheln, wenn sich Winnetou und Old Shatterhand durchs hohe Gras schleichen“, sagt Schmitz.
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Einen Stoffkoffer mit kleinen Glocken lassen Schmitz und Franciso zur Postkutsche werden. Der Deckel eines Alukoffers wird mithilfe einer Bürste zu einer ankommenden Dampflok, und die Luftballons im Zollstock klingen wie das Flügelschlagen von Fledermäusen. „Dass diese einfache Konstruktion dieses Geräusch so täuschend echt nachmacht, hat mich am meisten begeistert“, sagt Schmitz. Die passenden Quietschgeräusche zur Fledermaus macht er übrigens mit einem nassen Finger auf einer Poolnudel. Und das Pferdegetrappel kommt von Kokosnüssen.
Gutes Kopfkino ist das Ziel
Schmitz und Franciso haben die Geräuschemacherei für das Karl-May-Live-Hörspiel spontan gelernt. Beide gehören schon lange zum Kalkberg-Team. Schmitz hatte zuletzt die komischen Rollen übernommen, Franciso ist langjähriger Statist. Schmitz ist für einige Tage in die „Lehre“ bei einem befreundeten Team von Geräuschemachern gegangen. Als Ausbildungsberuf gibt es dies nicht. Deshalb wird das Wissen im Lehrer-Schüler-Modus weitergegeben.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Auch die Hörspiel-Gemeinschaft – ein Zusammenschluss von etwa 120 Verlagen, Medien, Autoren, Sprechern und Hörspielliebhabern – kennt den Wert von Fachleuten für den richtigen Sound. „Mit den richtigen Geräuschen sind die Hörspiele viel authentischer. Wenn im Hintergrund die quietschende Tür zu hören ist oder die Schritte über Kies deutlich vernehmbar lauter oder leiser werden, dann ist das total lebendig“, sagt Vereinsvorsitzende Christine Lemke-Munsch dazu.
Francisco, Schmitz und das Kalkberg-Team legen großen Wert auf gutes Kopfkino. Und tatsächlich sind es vor allem die Geräusche, die das Live-Hörspiel so faszinierend machen. Schmitz: „Ich glaube, die Fans werden im Kopf die Karl-May-Spiele so erleben, wie sie sie immer kennen. Das Publikum sieht den Adler sozusagen trotzdem fliegen.“