Hamburg. Die Sieben-Tage-Inzidenz bei jungen Menschen ist in Hamburg viel zu hoch. Niedrigschwellige Impfangebote sind dringend erforderlich.

Das Leben mit der Corona-Pandemie birgt für die meisten von uns nach den Monaten der Einschränkungen eine große Gefahr: schleichende Gewöhnung. Wir sind doppelt geimpft, das Tragen der Maske in Innenräumen ist eingeübt, und die 2G- oder auch 3G-Regel beim Kino-, Theater-, Konzert- oder Restaurantbesuch erlaubt eine weitreichende Rückkehr zum vorpandemischen Leben.

Nichts wäre verkehrter, weil fataler, als sich mit dem für viele inzwischen einigermaßen erträglichen Status quo zufriedenzugeben und so passiv „irgendwie“ auf ein weiteres Abebben der Bedrohung zu hoffen. Die Zahlen aus der Kleinen Anfrage des Hamburger Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Deniz Celik machen es sehr deutlich: Waren es zu Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr die alten Menschen, so sind es jetzt die jungen, die überproportional von Neuinfektionen betroffen sind. In der Altersgruppe der Zwölf- bis 17-Jährigen liegt die Sieben-Tage-Inzidenz um mehr als das Dreifache über dem landesweiten Durchschnittswert, im Bezirk Hamburg-Mitte sogar um das Fünffache.

Weil sich die Ständige Impfkommission des Bundes lange nicht zu einer Empfehlung der einschlägigen Vakzine für diese Altersgruppe entschließen konnte, sind die Schülerinnen und Schüler ohne eigenes Zutun zur Risikogruppe geworden. Umso wichtiger ist es jetzt, dass es dezentrale Impfangebote an den weiterführenden Schulen, den Berufs- und Hochschulen gibt. Richtigerweise wird dieser Weg jetzt auch in Hamburg beschritten.

Die Zahl der Ungeimpften ist noch viel zu hoch

Zur Wahrheit gehört an dieser Stelle allerdings, dass die Sechs- bis Elfjährigen den zweithöchsten Anteil an Neuinfektionen aufweisen, und für sie ist bislang keine Impfung empfohlen. Glücklicherweise verläuft die Corona-Erkrankung unter den sehr jungen Menschen in der Regel relativ glimpflich.

Wir dürfen noch in einem weiteren Punkt nicht wegsehen und keinesfalls nachlassen: Die Zahl derjenigen, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht impfen lassen wollen oder die jedenfalls nicht geimpft sind, ist nach wie vor viel zu hoch. Mehr niedrigschwellige Angebote sind dringend erforderlich. Ärzte und Behörden müssen die bislang uninformierten oder gleichgültigen Menschen dort erreichen, wo sie einkaufen oder ihre Freizeit verbringen.

Deswegen sind die Impfaktionen vom Wochenende im Volkspark- und Millerntor-Stadion, in den am Sonntag geöffneten Einkaufszentren genau richtig und beispielgebend. Und warum den Gang zum Piks, der für manche eine Hürde bedeutet, nicht mit einem Aufenthalt in der Elbphilharmonie versüßen, wie es am Freitag geschehen ist?

Ist es klug, Corona-Schnelltest nicht mehr kostenlos zu halten?

Vor Wochen galt es vielen in der öffentlichen Debatte als moralisch bedenklich, Menschen mit Vergünstigungen zum Impfen zu locken. Diese Zurückhaltung sollten wir aufgeben. Hamburg war lange zu zögerlich, was die Impfangebote an ungewöhnlichen Orten angeht, und hat vor allem auf das ohne Frage erfolgreiche Impfzentrum in den Messehallen gesetzt. Allerdings hätte man schon früher das eine tun können, ohne das andere zu lassen. Der Nachbarstadtstaat Bremen hat es mit Impfungen vor Ort gerade in den sozial schwierigeren Stadtteilen mit niedrigeren Impfquoten vorgemacht und auch damit Spitzenwerte im nationalen Impfranking erzielt.

Abschließend bleibt die Frage, ob es wirklich klug ist, dass die Corona-Schnelltests vom 11. Oktober an nicht mehr kostenlos sind, wie es Bund und Länder beschlossen haben. Ja, der Druck auf Impfunwillige wird so zweifellos erhöht. Andererseits wird die Zahl der Testungen vermutlich deutlich sinken und die Nachverfolgung der Neuinfektionen dadurch erschwert. Das wäre kontraproduktiv.