Berlin. Manche Kinder verharmlosen den Angriff der Hamas, viele Kinder aus jüdischen Familien haben nun Angst. Wie Eltern aufklären können.

„Mama, warum kämpfen die?“ Die Situation in der Welt ist vor allem für Kinder, aber auch für Eltern oft schwer zu verstehen. Der Angriff der Hamas auf Israel stellt auch Eltern vor schwierige Fragen. Wie erklärt man Kindern die Bilder von Tod und Zerstörung? Wie vermittelt man ein so komplexes Thema wie den Nahostkonflikt? Eine Empfehlung.

Mehr dazu:

Hamas-Angriff auf Israel: Was bisher bekannt ist
Hamas-Angriff auf Israel – Was bisher bekannt ist

weitere Videos

    TikTok zeigt Videos aus Israel überfordern Kinder

    Nicht nur in den Nachrichten, auch auf TikTok finden sich immer mehr Videos aus dem Nahost-Konflikt: Hinrichtungen, Massaker, Entführungen von Frauen und Kindern. Vor solchen Beiträgen können auch Jugendschutzfilter nicht schützen.

    Die Algorithmen von TikTok richten sich nach den Vorlieben der Nutzer, schreibt die Plattform TikTok selbst auf ihrer Homepage. Wenn TikTok also erkennt, dass Nutzerinnen und Nutzer bestimmte Videos länger ansehen oder mehr mit ihnen interagieren, werden mehr ähnliche Videos verbreitet.

    „Für Kinder stellen die Bilder und Videos des Hamas-Angriffs, aber auch die Weltnachrichten der letzten Jahre mit Klimawandel, Flutkatastrophen, Corona und Krieg in der Ukraine eine große geistige und emotionale Überforderung dar“, sagt Diplom-Psychologe Wanja Kunstleben. Aufgabe der Eltern sei es daher, die Kinder zu begleiten und zu unterstützen. Gerade kleine Kinder, so der Psychologe, neigten dazu, solche Situationen auf sich selbst zu übertragen und Ängste zu entwickeln: Kann mir das auch passieren? Wie nah ist das wirklich?

    Pauschale Aussagen wie „So etwas kommt bei uns nicht vor“ sollten Eltern vermeiden, warnt Kunstleben. Denn das könne das Gefühl auslösen, nicht ernst genommen zu werden. Stattdessen könnten Eltern ehrlich antworten, dass solche Übergriffe in Deutschland nicht zu erwarten seien und auch weiterhin alles dafür getan werde, dass so etwas bei uns nicht passiere. Darüber hinaus könnten Eltern auch bei der Plattform TikTok eingreifen, indem sie den „Begleiter-Modus“ nutzen, um überfordernde Inhalte zu reduzieren. Auch ein eingeschränkter Modus ist möglich, um nicht altersgerechte Videos herauszufiltern.

    Lesen Sie auch:Jugendschutz: Versenden von Nacktfotos – Warnung an Kinder und Jugendliche

    Kindgerechte Sendungen zur Vermittlung des Nahostkonflikts

    Die Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“ rät, Kinder möglichst nur solche Nachrichtenformate sehen zu lassen, die auch für ihr Alter geeignet sind, zum Beispiel kindgerechte Nachrichtensendungen wie „logo!“ im ZDF. „Als Grundregel gilt, dass für Kinder unter zehn Jahren Nachrichtensendungen für Erwachsene ungeeignet sind“, betont die Initiative auf ihrer Website. Aber auch Jugendliche sollten nicht mit dramatischen Nachrichten überflutet werden. Lieber weniger Nachrichten, dafür aber aus vertrauenswürdigen Quellen, rät der Medienratgeber.

    Auch der Diplompsychologe Wanja Kunstleben ist der Meinung, dass kleine Kinder im Grundschulalter noch nicht mit konventioneller Berichterstattung wie im Fernsehen konfrontiert werden sollten. Schon wenn Eltern im Beisein von Grundschulkindern mit anderen Erwachsenen über die schreckliche Situation sprechen, könne das die Kinder belasten und verunsichern.

    Von unseren Reportern in Israel

    Experten raten: Gefühle der Kinder ernst nehmen und Aufklärung leisten

    Statt bei Wut, Trauer oder Angst zu beschwichtigen, sollten Eltern besser nachfragen, was genau ihr Kind beschäftigt, rät Kunstleben. Allein die Tatsache, dass Eltern die Gefühle ihrer Kinder wahrnehmen und Interesse zeigen, sei tröstlich. In einem zweiten Schritt können Eltern dann im Gespräch auf die Gefühlslage des Kindes eingehen und nach passenden Erklärungen suchen. Kindersuchmaschinen wie Blinde Kuh und fragFINN, können dabei Eltern dabei helfen nach kindgerechten Antworten zu suchen. Unterschiedlich alte Kinder interessieren dabei oft ganz unterschiedliche Aspekte der Ereignisse. Der Medienratgeber „Schau hin!“ unterscheidet deshalb drei unterschiedliche Strategien für Gespräche über Krieg und Gewalt:

    1. Klein- und Vorschulkinder: Gerade jüngere Kinder können durch Darstellungen von Kampfhandlungen und Krieg in Nachrichten und Online-Beiträgen sehr verängstigt werden. Sie können noch nicht zwischen Fantasie und Realität unterscheiden. Deshalb brauchen Kleinkinder laut dem Medienratgeber die Gewissheit, dass ihre Eltern alles tun, um sie zu schützen. Hilfreich sind etwa Aussagen, dass Verletzten vor Ort geholfen wird oder die Polizei Menschen in Sicherheit bringt.
    2. Schulkinder: Kinder im Schulalter wüssten bereits, dass Krieg meist in fernen Ländern stattfinde. Im Mittelpunkt stünden bei ihnen oft moralische Fragen nach Schuld und Strafe. So würden sie häufig fragen, wie es wäre, wenn so etwas bei ihnen zu Hause passieren würde. Eltern könnten dann „betonen, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass Kriegs- und Terrorschauplätze einen selbst direkt betreffen und dass viel für Frieden und Terrorismusbekämpfung getan wird“, so der Vorschlag. Außerdem könnten Eltern ihre Kinder ermutigen, ihre Gefühle in einem Bild oder einer Geschichte auszudrücken.
    3. Teenager: Jugendliche neigen dazu, Ereignisse auf ihr eigenes Leben zu projizieren. So könnten sie sich „betrogen fühlen“, wenn Krieg, Gewalt und Terror immer wieder ausbrechen, ohne dass Sicherheit garantiert sei. In diesem Alter tauchten auch „größere ethische und politische Fragen auf“ und viele Jugendliche beteiligten sich an Solidaritätsbekundungen in sozialen Netzwerken. Eltern sollten ihnen daher vor allem beibringen, Falschmeldungen von echten Nachrichten zu unterscheiden, so der Medienratgeber.

    Auch interessant:Tipps für Eltern – Wie Kinder schneller und gesund schlafen

    Israel-Konflikt: Eltern sollten Ruhe bewahren

    Auch Eltern dürfen sich natürlich Sorgen machen über das, was in der Welt passiert. „Sie müssen ihre Sorgen nicht verbergen, sondern können sie erklären und mit ihren Kindern teilen“, sagt Psychologe Kunstleben. Dabei sollten sie sich aber nicht von ihren eigenen Gefühlen leiten lassen. Das würde die Kinder nur in Panik versetzen, vor allem dann, „wenn sie merken, dass diejenigen, die auf sie aufpassen sollen, selbst hilflos sind“, so Kunstleben weiter. Auch wilde Spekulationen oder Schwarz-Weiß-Denken verunsichern Kinder unnötig. Deshalb sei es wichtig, die Situation möglichst nüchtern zu betrachten.