Ohlsdorf. Verwaltungsgericht entscheidet: Stadt muss Arbeit an Häusern für 700 Menschen im Norden Hamburgs einstellen
Die Nachbarn einer Wohnunterkunft für bis zu 700 Flüchtlinge in Klein Borstel haben vor Gericht einen Erfolg erzielt. Das Hamburger Verwaltungsgericht verhängte am späten Mittwochnachmittag einen Baustopp für die Einrichtung Am Anzuchtgarten, die noch im Dezember von den ersten rund 250 Flüchtlingen bezogen werden sollte.
„Diese Entscheidung bedeutet eine erhebliche Verzögerung“, sagte Susanne Schwendtke, Sprecherin der städtischen Gesellschaft „Fördern & Wohnen“. Marcel Schweitzer, Sprecher der Behörde für Soziales, Familie und Integration (BASFI), sagte: „Wir werden uns die Begründung des Verwaltungsgerichts jetzt anschauen, sorgfältig prüfen und dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen.“ Zwei Wochen hat die Sozialbehörde Zeit, gegen die Entscheidung vorzugehen. Dann landet das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht. Möglich wäre aber wohl ein Kompromiss. Denn die Kläger, die sich zu dem Verein „Lebenswertes Klein Borstel“ zusammengeschlossen hatten, bieten der Sozialbehörde Gespräche an. „Für uns ist dies nur ein Zwischenergebnis. Wir hatten von Anfang den Dialog mit der Behörde gesucht und eine Beteiligung der Anwohner eingefordert“, so der Vorsitzende Olaf Peter. „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist ein Erfolg für die Rechtsstaatlichkeit, die auch in der aktuellen Flüchtlingskrise ein hohes Gut ist.“ Für die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien ist das Urteil „der Beweis, dass Akzeptanz für neue Unterkünfte in Hamburg nicht ohne echte Bürgerbeteiligung zu schaffen ist“.
Geplant war, auf dem 1,8 Hektar großen Gelände des ehemaligen Friedhofs Anzuchtgarten 13 Modulhäuser zu errichten. Das Gelände befindet sich am Rande eines Neubaugebiets. Um die geplante Unterkunft für Flüchtlinge und Obdachlose schnell und unter Umgehung des Baurechts errichten zu können, hatte sich die Sozialbehörde auf das Polizeirecht zur Abwehr von Gefahr gestützt. Das wurde jetzt vom Verwaltungsgericht beanstandet.
„Die Nachbarn haben einen Anspruch auf das, was im Bebauungsplan steht“, so Sprecher Andreas Lambires. „Das Anwenden von Polizeirecht darf nicht dazu führen, dass sie dieses Recht verlieren.“ Nach dem Flächennutzungsplan darf das für das Containerdorf vorgesehene Grundstück nur für „friedhofsbezogene und gärtnerische“ Aufgaben genutzt werden.
Als Rechtsbeistand hatten die Kläger den Juristen Gero Tuttlewski beauftragt. Er hatte auch für die Flüchtlingsunterkunft an der Sophienterrasse zunächst einen Baustopp und dann einen Kompromiss erwirkt. Er vertritt auch Anwohner in Neugraben, die eine Klage gegen die dort geplante Großunterkunft Am Aschenland mit rund 3500 Plätzen erwägen.
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