Berlin/Hamburg. Deutschland nimmt am Wochenende mehr als 17.000 Menschen aus Ungarn auf
Angesichts der dramatischen Zustände in Ungarn hat Deutschland in einer beispiellosen Aktion am Wochenende mehr als 17.000 Flüchtlinge aufgenommen. Vom Bahnhof München aus wurden viele der Migranten direkt in andere Bundesländer gebracht.
In Hamburg empfingen Hunderte Helfer die Flüchtlinge aus Ungarn mit Applaus. Etwa 175 Menschen kamen am späten Sonnabendabend mit einem Zug am Bahnhof Hamburg-Harburg an. Sie wurden in der Erstaufnahmeeinrichtung in Bahnhofsnähe untergebracht. Etwa 500 bis 700 freiwillige Helfer nahmen die erschöpften Menschen auf dem Bahnsteig in Empfang und übergaben ihnen Spenden – Wasserflaschen, Obst, Kleidung und Spielzeug. Die Freiwilligen klatschten, als die Neuankömmlinge aus dem Zug stiegen – und standen Spalier für sie. Unter den Flüchtlingen waren zahlreiche Familien mit kleinen Kindern.
Am Sonntagmorgen traf ein ICE aus Süddeutschland mit etwa 120 weiteren Flüchtlingen aus Ungarn in Hamburg ein. In Harburg seien aber nur 15 von ihnen ausgestiegen, sagte ein Sprecher der Innenbehörde. Die anderen Flüchtlinge fuhren bis zum Hauptbahnhof weiter und von dort am Nachmittag Richtung Dänemark und Schweden. Während des Zwischenstopps am Hauptbahnhof wurden sie von Passanten und Helfern mit Nahrungsmitteln und Getränken versorgt. „Sie waren alle erschöpft und kaputt“, sagte der Sprecher. Am Sonntagabend trafen weitere 50 Menschen in Harburg ein.
Um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen, waren Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung in Harburg am Sonnabend in die Messehallen gebracht worden. Denn mehr als 600 der 1017 Menschen, die zuletzt dort lebten, wurden am Sonnabend auf andere Bundesländer verteilt. Nach Angaben der Innenbehörde kamen in Hamburg an den vergangenen Wochenenden jeweils zwischen 500 und 800 Flüchtlinge an.
Die Behörden in Schleswig-Holstein bereiteten sich am Sonntag auf die Ankunft von etwa 250 Flüchtlingen aus Ungarn vor. Allein am Sonnabend seien mehr als 300 geflüchtete Menschen in Schleswig-Holstein angekommen, sagte ein Sprecher der „Besonderen Aufbauorganisation“ im Landespolizeiamt. Dabei handelte es sich um Menschen, die nicht aus Ungarn gekommen seien.
Angesichts der dramatischen Situation der Flüchtlinge in Ungarn hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr österreichischer Amtskollege Werner Faymann am Freitagabend in Absprache mit der ungarischen Regierung eine Ausnahmeregelung vereinbart. Demnach durften die Flüchtlinge ohne bürokratische Hürden und Kontrollen einreisen. Die Regierung in Wien verwies auf eine „Notlage“ an der ungarischen Grenze.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach sich dafür aus, dass Privatleute daheim Flüchtlinge aufnehmen. Am Sonntagabend berieten die Spitzen der Regierungskoalition in Berlin über die Flüchtlingspolitik. Merkels Entscheidung hatte in der Koalition Streit ausgelöst. Massive Kritik kam von der CSU. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dagegen begrüßte die Einreiseerlaubnis. Bei der Verteilung der Flüchtlinge gehe es nun aber um europäische Solidarität, sagte er.
Die EU-Staaten aber sind weiter zerstritten. Beim Außenministertreffen am Wochenende in Luxemburg gab es kaum Fortschritte. Vor allem osteuropäische Mitgliedsländer wehren sich gegen verbindliche Regeln.
Papst Franziskus rief zu Solidarität und Hilfe auf. „Ich appelliere an alle Pfarreien, religiösen Gemeinschaften, Klöster und Wallfahrtsorte in ganz Europa, eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen“, sagte er am Sonntag.
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