Annett Louisan begibt sich für ihre Songs in verschiedene Welten
Einst war sie die kleine feenhafte Blonde, die nur spielen wollte und 2004 mit dem dazugehörigen Song „Das Spiel“ zum Inbegriff deutscher Niedlichkeit, aber auch musikalischer Harmlosigkeit wurde: Annett Louisan. Das Label klebte eine Zeitlang an ihr wie die Sissi-Rolle an Romy Schneider. Der Erfolg gab ihr Recht. Ihr gemeinsam mit dem Produzenten Frank Ramond, den Komponisten Hardy Kayser und Matthias Haß entwickeltes Debüt „Bohème“ verkaufte sich wie geschnitten Brot.
Doch auf den fünf folgenden Alben distanzierte sie sich von der vorschnellen Festlegung auf den süßen blonden Engel, verlegte sich auf deutschsprachige Chansons und erweiterte ihr musikalisches Repertoire um Jazz- und Swing-Rhythmen, Musette-Walzer, Tango und Bossa Nova. Und auf ihrem aktuellen, im Februar erschienenen Werk „Zu viel Information“ singt sie freche Liedzeilen wie „Ich hab Dein Ding gepostet“. Im dazugehörigen Musikvideo zum Song „Dein Ding“ im Westernlook gibt sie eine sexy Saloon-Lolita mit prallem Dekolleté und elegantem Damenhut. Später beobachtet sie durch die Nacht streunende Männer beim „Herrenabend“. Und diagnostiziert: „Man braucht beide Welten, die heile und die geile“. Auch der Satz „Immer wenn ich Rosen krieg, weiß ich, du bescheißt mich“ aus dem älteren Song „Rosenkrieg“ offenbart einiges an differenzierter Lebenserfahrung.
In ihren Texten, die sie zwar noch immer mit einem koketten Lächeln und sanftem Stimmchen preisgibt, pflanzt sie mittlerweile eine auf den ersten Blick kaum spürbare Ironie, auch mal gespickt mit ein paar wohlplatzierten Schelmereien. Stets wandelt sie dabei auf dem schmalen Grad zwischen Verführung und Eigensinnigkeit.
Als Annett Päge wurde sie 1977 im sächsischen Havelberg geboren, nach der Wende wurde sie allein von ihrer Mutter in Hamburg aufgezogen. Mittlerweile blickt die Sängerin auf eine erstaunlich beständige Karriere zurück. Und das obwohl sie, in zweiter Ehe mit einem Musiker glücklich, mehr als nur die Haarfarbe von Blond zurück zu Brünett und den Wohnort von Berlin zurück nach Hamburg gewechselt hat.
Für ihren Auftritt beim Schleswig-Holstein Musik Festival wird sie ihre Band, die bis heute aus dem Band- Leader und Gitarristen Hardy Kayser, Gitarrist Mirko Michalzik, Schlagzeuger Christoph Buhse, Bassist Olaf Casimir, Gitarrist Jürgen Kumlehn und dem Multiinstrumentalisten Friedrich Paravicini besteht, um klassische Musiker des Schleswig-Holstein Chamber Orchestras ergänzen, die bereits mit Künstlern wie Wynton Marsalis oder Jimi Tenor aufgetreten sind. „Es ist sehr reizvoll, verschiedene Welten zusammenzuführen und etwas Neues daraus entstehen zu lassen“, sagt Annett Louisan.
Beim Konzert spielt sie zwei sehr unterschiedliche Sets . Es gibt einen südamerikanischen Schwerpunkt, da Louisan einige Stücke dieses Genres in ihrem Repertoire hat. „Ich habe mir schon immer gewünscht, mal ein ganzes Album im Stil von Antonio Carlos Jobim aufzunehmen, und jetzt werde ich die Möglichkeit nutzen, diese Idee live umzusetzen, zumal sehr viele der jungen Musiker aus Südamerika stammen“, sagt sie. Und für den zweiten Teil des Abends stellt sie sich eine Art Django-Reinhardt-Swing vor. Aber natürlich dürfen sich die Besucher auch auf ihre größten Hits freuen.
Annett Louisan, Gesang, Schleswig-Holstein Chamber Orchestra 9.8. 19.00, Hamburg, Museum der Arbeit, Open Air. Karten zu 39,- bis 49,- unter T. 0431/23 70 70