Hunderte Gäste im Übersee-Club: Der langjährige Geschäftsführer Burghard von Cramm wurde verabschiedet. Mehr als zehn Jahre stand von Cramm an der operativen Spitze der renommierten Organisation.
Hamburg. Es wurde eng im Clubhaus. Sehr eng. Dabei ist das Amsinck-Haus, ein nobles Bürgerpalais am Neuen Jungfernstieg, weiß Gott nicht klein bemessen. Aber am Montagabend langte auch das nicht. Zu viele Gäste wollten Tschüs sagen. Und danke.
„Die große Zahl der Gäste ist Ausdruck der großen Wertschätzung für deine Arbeit“, sagte Michael Behrendt als Präsident des Übersee-Clubs. Und jetzt müsse Burghard von Cramm es einfach mal ertragen, im Mittelpunkt zu stehen. Auch wenn er das Rampenlicht gern anderen überlasse. Doch wer auf eigenen Wunsch als langjähriger Geschäftsführer verabschiedet wird, darf sich über einen Abend voller Aufmerksamkeit nicht beklagen. Machte Burghardt von Cramm auch nicht. Er sagte nur, der Berliner würde jetzt sagen: „Dit wär’ ja nu’ nich’ nötig jewesen.“
Mehr als zehn Jahre stand von Cramm an der operativen Spitze des renommierten, 1922 von Bankier Max Warburg gegründeten Übersee-Clubs. Am 1. Oktober 2003 hatte er die Geschäfte von seinem Vorgänger Klaus D. Dettweiler übernommen. „Obwohl ich zu dieser Zeit eigentlich an die Uni wollte, um mein Geschichtswissen aufzufrischen.“ Umtriebig und vielseitig interessiert nennt er sich, „zuverlässig“ und „preußisch korrekt" lobte ihn Präsident Behrendt. Die Entscheidung für den Übersee-Club habe von Cramm jedenfalls nicht bereut. Inzwischen 77 Jahre alt, sei er für eine gute Sache tätig gewesen, habe tolle Menschen getroffen.
Dabei sei er gar kein gebürtiger Hamburger, wie Behrendt in seiner Laudatio nicht unerwähnt ließ. „Auch wenn man es kaum glauben mag.“ Denn der Neffe des legendären Tennisspielers Gottfried von Cramm wuchs im altmärkischen Stendal auf, wurde also ein paar Kilometer flussaufwärts „mit Elbwasser getauft“. Nach Kriegsende zog er mit den Eltern zunächst in die Nähe von Plön, heuerte bei Daimler an, verkaufte anfangs Autos und ging für die Schwaben in die USA, nach Berlin und Stuttgart. Insgesamt war er 42Jahre für das Unternehmen aktiv, die letzten elf davon verbrachte er in der Hansestadt. Die Mitgliedschaft im Übersee-Club war da nur eine Frage der Zeit. Unter seiner Ägide zählt der Club mittlerweile mehr als 2300 Mitglieder.
Anscheinend habe sein Einsatz den Clubmitgliedern nicht vollends missfallen, sagt von Cramm. Und lacht. Präsident Behrendt sagte, der scheidende Geschäftsführer habe den Club bewegt und geprägt. Jenen Club, zu dessen Gästen sämtliche Bundeskanzler seit 1948 zählten und der bekannt ist für spannende Vorträge sowie die gediegene Möglichkeit der Kontaktpflege. Unter „seinen“ Club-Präsidenten Peter von Foerster und Michael Behrendt habe von Cramm große Freiheiten genossen, sich deshalb wohlgefühlt, sein Amt als Geschäftsführer aber als Hintergrundtätigkeit verstanden. Er tauchte selten in der Öffentlichkeit auf, gab sich bescheiden. „Als Niederlassungsleiter für Daimler-Benz war ich öffentlichkeitswirksamer“, sagt er. Beim Übersee-Club lautete hingegen sein Credo: „Mehr Sein als Schein.“ Hanseatische Zurückhaltung – eine Frage der Disziplin.
Der Gewinn an persönlicher Freiheit nach seinem Ausscheiden wird diese Weltanschauung nicht ändern. Bis heute joggt er täglich diszipliniert „fünf bis sechs Kilometer“, das halte jung und geistig frisch. Der Lektüre des Hamburger Abendblatts und der FAZ werde er nun in seinem Rissener Zuhause wohl mehr Aufmerksamkeit schenken. Einmal öfter dürfte es fortan in seinen Forst in Mecklenburg-Vorpommern und das nahe Holzhaus gehen. Das Stückchen Land kaufte er sich mit Beginn seines Ruhestands, weil ihm die Rückkehr auf den elterlichen Hof in der Altmark nach der Wiedervereinigung verwehrt blieb. Trotzdem bezeichnet er den Mauerfall als sein größtes, politisches Glück.
Und jetzt, im Wochenendhaus, gebe es immer etwas zu tun. Holzwirtschaft, die Jagd. Außerdem sind seine Frau Sybille und seine zwei erwachsenen Kinder auch noch da. Langweilen werde er sich nicht. Ohnehin gilt Burghard von Cramm als positiv denkender Mensch: „Open minded“ nennt er das, er habe viel von den Amerikanern gelernt. Nicht nur das Englisch, das ihm für den Übersee-Club einige Türen öffnete. Auch die Freiheitsliebe und die Einstellung. Ein Tablett mit den Namen des Präsidiums gab es zum Abschied. „Gewiss, ein unvollkommener Ausdruck des Danks“, sagte Behrendt. Es seien schon große Schuhe, in die sein Nachfolger Thomas Klischan nun tritt. Den langjährigen Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Nordmetall hatte das Präsidium bereits im Februar bestellt. Dem scheidenden Geschäftsführer rief Behrendt zu: „Du wirst unvergessen bleiben!“ Und Mitglied im Club.