Zehn Millionen Franzosen sahen die französische Komödie. Der Witz des Films basiert auf politischer Inkorrektheit und teilweise auf rassistischen Vorurteilen. Ein Gespräch mit dem Regisseur.
Hamburg. Die Franzosen haben wieder Spaß. Ein echter Kinohit bei unseren Nachbarn war in den vergangenen Wochen die Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“, die folgende Geschichte erzählt: Der gutbürgerliche Monsieur Claude und seine Frau Marie sind zufrieden mit ihren vier hübschen Töchtern – bis die sich Ehemänner aussuchen. Eine heiratet einen Muslim, die andere einen Juden, die dritte einen Chinesen. Das sorgt für brisante Gespräche über Vorurteile, Lebensart und das angebrachte Essen. Als die vierte Tochter ihnen eröffnet, dass ihr Lover Charles heißt und katholisch ist, sind die Eltern zunächst beruhigt, aber nur kurz, denn Charles kommt von der Elfenbeinküste und ist schwarz. Zehn Millionen Zuschauer haben sich schon über die mit deftigen Dialogen gespickte Komödie amüsiert, in der Starkomiker Christian Clavier die Hauptrolle spielt. Am Montag war Regisseur Philippe de Chauveron in Hamburg, um seinen Film beim Zeise Open Air vorzustellen.
In Frankreich leben 20 Prozent der Bürger in Ehen mit gemischter Herkunft
Beim Interview ist er zunächst noch etwas außer Atem, denn de Chauveron war nach seiner Ankunft in Hamburg erst einmal um die Alster gelaufen. Um welche? „Gibt es zwei?“, fragte er erstaunt. Er hatte die Binnenalster gewählt. Wie es ihm wohl gegangen wäre, wenn er sich für den größeren Teil entschieden hätte? Der Mann ist zum ersten Mal in der Stadt und ein bisschen nervös. Bisher ist sein Film außer in Frankreich auch in Belgien und der Schweiz gestartet. Länder, in denen Französisch gesprochen wird. Jetzt kommt ein Land hinzu, bei dem de Chauveron darauf vertrauen muss, dass die Pointen die Synchronisierung einigermaßen heil überstanden haben. Es gibt ja auch Humor, dem bei der Übersetzung die Luft ausgeht, aber in diesem Fall ist’s gut gegangen.
Der Witz des Films basiert auf politischer Inkorrektheit und teilweise auf rassistischen Vorurteilen. So etwas gibt es ja bekanntermaßen auf beiden Seiten der deutsch-französischen Grenze. Die Respektlosigkeit, mit der die Komödie nationale Vorurteile angeht, zählt zu ihren Stärken, wird aber auch zu ihrer Schwäche, wenn Sätze fallen wie: „Wie gut, dass deine Eltern nicht fünf Töchter haben. Die fünfte hätte womöglich einen Roma angeschleppt.“ Oder wenn die rhetorische Frage fällt: „Sind wir nicht alle ein bisschen rassistisch?“ Das ist zwar augenzwinkernd gemeint, aber hier begibt sich der Regisseur auf ganz dünnes Eis und fordert die Zuschauer auf, dieses diskriminierende Verhalten gutzuheißen. Hat de Chauveron den Satz aus dramaturgischen Gründen eingefügt, oder kommt er aus vollem Herzen? „Aus dramaturgischen“, sagt er. „Aber ich bin mit Ausländern jeglicher Couleur aufgewachsen. Wir haben uns ständig gegenseitig auf den Arm genommen. Wenn man das nicht mehr darf, wäre das kein gutes Zeichen. Man sollte die Leute nicht davon abhalten, Witze darüber zu machen.“ Das hat auf ähnliche Weise auch der Film „Ziemlich beste Freunde“ versucht (und geschafft), den in Frankreich unglaubliche 20 Millionen Zuschauer sahen. Anders als de Chauverons Film liegen der Komödie um einen Schwerstbehinderten und seinen schwarzen Pfleger aber mehr Selbstironie und eine tiefe Humanität zu Grunde.
Auf die Idee zu „Monsieur Claude“ hat den Regisseur eine Statistik gebracht: „Ihr seid Fußball-Weltmeister, wir sind unschlagbar, wenn es um gemischte Ehen geht.“ 20 Prozent der Franzosen heiraten einen Partner anderer Herkunft, der europäische Durchschnitt liegt bei drei Prozent. Das Film-Ehepaar hat vier Töchter, der Regisseur im wahren Leben vier Brüder. Die meisten knackigen Dialoge haben im Film die Schwiegersöhne. „Ich weiß, was Jungs so reden, wenn es um das Thema geht“, sagt de Chauveron, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Auch er kommt aus einer gutbürgerlichen Familie. „Sie ist fast ein bisschen langweilig.“ Er war mit einer Schwarzen befreundet, sein Bruder hat eine Frau aus dem Maghreb geheiratet. Er weiß also, wie es ist, wenn Eltern so etwas kritisch zur Kenntnis nehmen. „Meine Mutter hatte sogar Angst vor dem Film“, erinnert er sich. „Sie fürchtete, die Mutter der Töchter könnte ihr zu ähnlich geworden sein.“
Am Drehort tritt de Chauveron ziemlich autoritär auf. „Ich bin der Boss.“ Er hat mit seinen Schauspielern einzeln ihre Rollen durchgesprochen. Dabei durften sie Verbesserungsvorschläge machen. „Die guten habe ich geklaut und eingebaut“, gibt er zu. Christian Clavier hatte sich erbeten, seine „Schwiegersöhne“ vorher nicht zu treffen. „Er wollte, dass sie ein bisschen Angst vor ihm haben – wie im Film.“
De Chauveron findet, dass man über alle Themen Komödien drehen kann, egal, wie kontrovers sie sind. Andererseits hat er sich noch nie in ein anderes Genre gewagt. „Es ist doch ein lustiger Weg, um über Frankreich, die Immigration und diesen ganzen Quatsch zu erzählen.“ Er findet, dass die Fremdenfeindlichkeit in seiner Heimat in den vergangenen zehn Jahren gewachsen ist, aber mehrheitsfähig sei sie nicht. „Das mag verwundern, aber die Intoleranz hat bei uns nur eine besonders laute Stimme.“
„Monsieur Claude und seine Töchter“ kommt am Donnerstag in die Kinos. Eine Kritik lesen Sie in Live