Hürdensprinter Paul Dittmer vom MTV Hanstedt wird Achter bei den deutschen Meisterschaften in Ulm und widmet sich fortan beruflichen Zielen. Hindernisläuferin Jana Sussmann liebäugelt mit EM-Nominierung.
Hanstedt. Der Mann ist und bleibt ein Phänomen. Auch zehn Monate ohne jedes Leichtathletiktraining konnten Paul Dittmer vom MTV Hanstedt nicht daran hindern, zum siebten Mal in den vergangenen acht Jahren in den Endlauf über 110 Meter Hürden bei deutschen Meisterschaften einzuziehen – die Titelkämpfe in der Halle nicht mitgerechnet. Im Donaustadion in Ulm rannte der 27-Jährige zwei Mal Saisonbestzeit. Erst im Vorlauf in 14,17 Sekunden – das genügte, um als Achter in den Endlauf einzuziehen. Dort ließ Paul Dittmer 14,12 Sekunden folgen und belegte den achten Platz.
„Mit der Endlaufteilnahme habe ich absolut nicht gerechnet“, sagte Dittmer, der sich aus Studiengründen von Ende September bis in den Mai hinein in Nottingham in England aufgehalten hatte. „In dieser Zeit habe ich nicht einmal Leichtathletik trainiert. Dafür haben wir viel Volleyball gespielt und sind mit der Unimannschaft Zweiter in der Liga geworden“, berichtet der seit jeher ballbegeisterte Hanstedter. Nach der Rückkehr rannte der Schützling von Trainer Wolfgang Striezel quasi aus dem Stand Zeiten zwischen 14,40 und 14,70 Sekunden, wurde zum wiederholten Male Niedersachsenmeister und norddeutscher Vizemeister. Zum Vergleich: sein eigener Bezirksrekord steht seit zwei Jahren bei 13,69 Sekunden.
Dass es jetzt in Ulm so gut klappte, führt er auf eine „Mischung aus Glück, guter Reaktionszeit und tollem Start“ zurück. Mit Erik Balnuweit (Leipzig) verzichtete einer der Top-Läufer wegen Problemen am Mittelfuß auf den Start, um die Europameisterschaften in Zürich nicht zu gefährden. Als dann Nordmeister Richard Bienasch (Rostock) wegen eines Fehlstarts disqualifiziert wurde, nutzte Paul Dittmer die Gunst der Stunde und stürmte ins Finale, das Matthias Bühler (Offenburg) in hervorragenden 13,20 Sekunden (allerdings bei zu starkem Rückenwind) gewann. „Ich hatte einen so tollen Start, dass ich mich fast langgemacht hätte“, berichtet Dittmer von einem Fast-Sturz.
Ob mit oder ohne Finalteilnahme – mental stand für den sympathischen Blondschopf das Abschiednehmen von der Hürden- und Leichtathletikszene im Mittelpunkt. Momentan schreibt er im heimischen Hanstedt an seiner Masterarbeit im Studienfach Wirtschaftspsychologie, die er bis 15. September abgeben muss. Danach steht der Beruf im Mittelpunkt. „Egal, ob ich im Oktober, Januar oder März anfange, die Arbeit wird keinen Sport mehr zulassen. Auch weil ich von 70 bis 80 Arbeitsstunden pro Woche ausgehe.“ Am liebsten würde Dittmer in der strategischen Unternehmensberatung tätig sein. „Ich weiß bloß noch nicht, ob eher in einer größeren oder kleineren Firma.“
Zum Abschiednehmen gehörte der Schriftzug „Danke Leichtathletik!“ auf den Unterarmen, der beim live vom ZDF übertragenen Endlauf gut zu erkennen war. „Natürlich ist auch Wehmut dabei. Die meisten kenne ich schon seit 15 Jahren. Ich werde das alles auch vermissen“, sagt Dittmer. Viele Aktive und Trainer hätten ihr Bedauern über seinen Abschied ausgedrückt und ihm, der die zuvor sehr ernste Hürdenszene mit seinem Spaß und seiner Lockerheit ein Stück weit verändert hat, viel Glück für die Zukunft gewünscht.
Zu den Höhepunkten der Karriere von Paul Dittmer, die schon im Alter von drei Jahren bei Christa Striezel in Hanstedt begonnen hatte, gehören die deutschen Meistertitel als Jugendlicher 2004 (U18) und 2006 (U20), die Teilnahme an vier internationalen Meisterschaften, bei denen er drei Mal hauchdünn den Endlauf verpasste, und die deutsche Vizemeisterschaft über 110 Meter Hürden bei den Männern. Das war 2007 im strömenden Regen von Erfurt.
Bei der Leichtathletik-DM in Ulm hat sich auch die aus Winsen stammende Jana Sussmann (LT Haspa Marathon Hamburg) endgültig in der deutschen Spitze zurückgemeldet. Die 23-Jährige belegte über 3000 Meter Hindernis in 9:47,70 Minuten den dritten Platz hinter Meisterin Antje Möldner-Schmidt (Cottbus) und Gesa-Felicitas Krause (Frankfurt). Trotz der um anderthalb Sekunden verpassten EM-Norm darf sich Sussmann Hoffnungen auf die Nominierung für die Europameisterschaften vom 12. bis 17. August in Zürich machen. Der DLV wird sein Aufgebot am heutigen Mittwoch bekannt geben.